Das Zahlen von Steuern darf als nicht wirklich beliebte Tätigkeit gelten. Man nimmt es hin, weil es nicht zu vermeiden ist. Aus historischer Sicht aber muss man das Steuerzahlen loben. Entstehen dabei doch Unterlagen, die klar sagen, wer was hatte. Oder jedenfalls, was ein jeder bei der Steuer angab.
Wer also hatte was in Wertheim im Jahr 1641? In diesem Jahr ließ die Regierung der Grafschaft Wertheim eine neue Schatzungsbeschreibung für Wertheim erstellen. Die Schatzung war eine Vermögenssteuer und jeder Wertheimer musste damals seinen Besitz angeben.
Gar nicht schlecht sah es bei Konrad Fröhlich aus. Er nannte ein Haus in der Vaitsgasse sein eigen, dessen Wert auf 250 Gulden beziffert wurde. Dazu kamen Weinberge im Bellstein, in der Leberklinge, im Walzenberg und ein Krautgarten im Flöhberggrund hinter der Mühle. Alles in allem kam Fröhlich auf ein Vermögen von 742 Gulden, gegen das er Schulden von 350 Gulden rechnen konnte. Blieben als zu versteuerndes Vermögen 391 Gulden. Damit lag er unter den Wertheimer Bürgern im oberen Mittelfeld.
Noch darüber lag mit 600 Gulden der Rotgerber Valentin Sauer. Sauer hatte nicht nur ein Haus in der Neustadt (300 Gulden), sondern auch eine Werkstatt in der Neustadt und ein halbes Haus an der Ziegelhütte über der Tauber. Wohnen und Arbeiten war wohl bei den meisten Gerbern räumlich getrennt, die Laugen zur Behandlung der Häute dürften stark gestunken haben. Auch der Weißgerber Michael Nier machte es so: Er wohnte in seinem Haus am oberen Markt und hatte eine Werkstatt neben dem Spitzen Turm. Sauer verfügte zudem über jede Menge Weinberge, Krautgärten und Wiesen und hatte auch noch drei Fuder Wein im Keller, also etwa 2800 Liter. Wein im Keller war ein Vermögensgegenstand wie ein Haus und musste versteuert werden.

Bei den Gerbern war regelmäßig ein erheblicher Teil des Besitzes in den Häuten gebunden. So wie bei Christian Arnold, der nicht nur einen Garten „im Zwinger bei dem Spitzen Turm“ hatte, sondern auch 756 Gulden investiert in 38 Stück Kuh- und Ochsenhäute, für 100 Rindshäute und 30 Kalbfelle. Auch dieses „Betriebsvermögen“ ging in die Schatzungsberechnung ein. Bei Weißgerber Christian Albrecht, der ein Haus in der Brückengasse direkt an der Stadtmauer hatte, waren 321 Gulden in Leder und Felle investiert. Wein hatte er auch: Drei Fuder und sechs Eimer, also mehr als 3000 Liter, wovon er nach eigener Schätzung für den Eigenverbrauch im Jahr etwa zwei Fuder brauchte, also 1840 Liter. Albrecht rechnete also, sozusagen für die Steuer, mit einem Weinverbrauch von gut fünf Litern am Tag in seinem Haushalt.

Die attraktivste Witwe

Auch Anna Tag, die Witwe des Gerbers Hans Tag, besaß eine Gerberwerkstatt, deren Wert mit eindrucksvollen 180 Gulden angesetzt wurde. Ihr eigentliches Wohnhaus in der Friedleinsgasse war noch eindrucksvoller: Wert 425 Gulden. Dazu besaß die Witwe noch eine kleine Scheuer am Geismarkt und unter anderen einen Weinberg im Remberg, der mit mehr als 200 Gulden angesetzt wurde. Ein Weinberg, so wertvoll wie ein mittleres Haus. Bei den Passiva kam Anna Tag auf einige hundert Gulden Außenstände an Geld, das sie oder ihr Mann verliehen hatte. In ihrer Steuererklärung teilte sie diese Schulden ein in die Kategorien „gewiß“, „derzeit ungewiß“ und „ungewiß“, was sich auf die Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung bezog. Alles in allem gab Anna Tag 1220 Gulden zu versteuerndes Vermögen an. Sie war damit ganz klar die attraktivste Wertheimer Witwe, was den Besitz betrifft.
Witwen bilden in den Schatzungsunterlagen sozusagen eine eigene Abteilung. Besteuert wurden nämlich die Familieneinheiten, für die jeweils Haushaltsvorstände standen. War der Ehemann tot, war dies die Witwe. Es gab noch andere wohlhabende Witwen wie die Witwe von Johann Metzler, deren Vermögen auf 594 Gulden veranschlagt wurde. Sie hatte auch Geld im Odenwald stehen, wo „die Bauern gestorben und ganze Dörfer wüst liegen“. Das war ein Hinweis auf die Pest, die kurz zuvor umgegangen war. Wie der Fall Metzler zeigt, brachte die Pest die Geldanleger unter den Wertheimer Witwen in Schwierigkeiten. Die Steuerverwaltung zeigte sich einsichtig: Die Witwe Metzler sollte dieses Geld erst dann versteuern, wenn es wieder eingebracht worden war.
Eine weitere Witwe mit Geld war Maria Heim, die nicht nur ein Haus in der Maingasse (Wert 140 Gulden) hatte, sondern auch einen Krautgarten hinter der Mühle, der ungefähr 400 Krautköpfe tragen konnte. Vielleicht traf diese Witwe dort beim Krautausmachen im Herbst Konrad Fröhlich, mit dem wir diese Betrachtung begonnen haben. (Ob allerdings eine Chance bestand, dass die Krautgärten Fröhlich und Heim hinter der Mühle hätten zusammenfinden können, weiß man nicht, weil aus den Steuerunterlagen nicht hervorgeht, ob Fröhlich verheiratet war.)
Anderen Witwen ging es wesentlich schlechter. Witwe Anna Keller schrieb, sie habe nichts mehr, kein Erbe und keine Landgüter, nur was sie mit ihrer Hände Arbeit sauer verdiene. „Wie die ganze Bürgerschaft zweifelsohne wohl weiß“, fügte sie noch an. Die Steuerverwaltung glaubte es nicht und setzte 40 Gulden an.
Auf ein anderes Problem machte die Witwe Appolonia Schömig aufmerksam. Sie besaß zwar ein mit 325 Gulden bewertetes Haus in der Eichelgasse und mehrere Morgen Weinberge plus einen Baumgarten bei der Schießhütte. Aber die Weinberge konnte sie nicht mehr bebauen lassen, weil es mit der Bewirtschaftung durch fremde Leute nicht mehr lohnte. Deshalb blieb ihr nur die Vermietung des Hauses. Davon hoffte sie zu existieren, bis „mein Leben (so lang Gott will) zu end bringe.“ Außerdem wusste sie nichts über ihre Schulden anzugeben, weil die entsprechenden Rechnungen nach dem Tod ihres Mannes noch beim Stadtrat lagen. Ihr glaubte die Verwaltung und legte als zu versteuerndes Einkommen ebenfalls nur 40 Gulden fest, was so eine Art Mindestannahme gewesen zu sein scheint. Sie wurden auch bei der Witwe Hans Neubeck angesetzt, obwohl sie „hat nichts, dan was sie mit hartten und schweren Taglöhnen verdinen muss.“ Frauen als Tagelöhner, das gab es also auch.

Bewertungsfragen

Bei der Frage der Bewertung der Häuser zeigt sich ein bis heute aktuelles Problem: ein hoher Buchwert konnte den Steuerzahler in Bedrängnis bringen, wenn er ansonsten keine Einkünfte hatte, also nicht liquide war. So wie Appolonia Schömig. Wie real waren die bei den Immobilien angegebenen Werte überhaupt? Diese Frage ist auch wichtig für die Gesamtbeurteilung der wirtschaftlichen Lage der Wertheimer, die sich in diesen Steuerunterlagen zeigt. Sie war, glaubt man den Buchwerten, ja eigentlich erstaunlich gut, immerhin lagen mehr als zwei Jahrzehnte Krieg hinter den Wertheimern mit Einquartierungen, Brandschatzungen und kriegsbedingten Sonderlasten, verschärft noch durch Pest und Schlechtwetterperioden. Trotzdem sind in den Steuerunterlagen mit Immobilien, Weinbergen und Wein ganz erhebliche Werte angegeben. Die Steuerunterlagen sind aber auch nicht leicht zu interpretieren. Man darf dabei nicht vergessen, dass auch die kriegsbedingten Sonderzahlungen, die Kontributionen, wie Schatzungen erhoben wurden – die Verwaltung hatte also ein Interesse daran, die Werte hoch anzusetzen. Nur so konnte sie an das Geld der Bürger kommen.

Die Rosenwirtschaft in der Brückengasse

Aus Sicht der Verwaltung sehr reich war 1641 Christoph Hoffmann, der Wirt und Hausbesitzer der Rosenwirtschaft in der Brückengasse. Er wurde mit 2793 Gulden veranschlagt, von denen allerdings allein 1200 Gulden auf Kosten des Hauses gingen. Die „Rose“ muss ein ganz besonders prächtiger Bau gewesen sein.
Hoffmanns Familie war in den besseren Wertheimer Kreisen gut vernetzt. Sein Schwager war der verstorbene Hofrat Philipp Reinhard, der über Jahrzehnte der wichtigste Mann in der Verwaltung der Grafen gewesen war und dabei auch für sich und die seinen gesorgt hatte. Eine Teilung der Erbschaft stand noch aus. Hoffmanns Reichtum brachte ihm aber auch Probleme. Sein Vater hatte einen Kredit der Stadt Wertheim bei den Frankfurter Juden abgelöst, der mit acht Prozent zu verzinsen war, und ihn für fünf Prozent übernommen, durch das Kriegswesen waren überhaupt keine Zinsen mehr gezahlt worden. Als 1626 der Obrist Husman gedroht hatte, die Stadt anzuzünden, hatte Hoffmann der Stadt 240 Reichstaler vorgestreckt, von denen er bis heute nichts mehr gesehen hat. Weitere 300 Gulden schuldet er seinem Schwiegersohn Christoph Semmler noch als Heiratsgut – alle diese Angaben machte er selbst in seiner Steuererklärung. Auf der Habenseite hatte er noch erhebliche Weinvorräte: sieben Eimer 1637er, 58 Eimer 1638er (dessen Wert mit 580 Gulden angegeben wurde, also einer sehr gehobenen Immobilie entsprach), zehn Eimer 1639er, sieben Eimer 1640er. Und dann war da als größter Wert noch die Rosenwirtschaft mit ihren 1200 Gulden. Hoffmann sah das aber anders, weil das Haus durch die Soldaten ganz zerstört sei, und verlangte eine Besichtigung. Noch in einem weiteren Punkt gab er „schwere Kosten“ an, die die Verwaltung berücksichtigen sollte. Der Wirt hatte nämlich seinen Sohn nach Altdorf auf die Universität geschickt. So konnte man schon damals Ausbildungskosten der Kinder als außergewöhnliche Belastung bei der Steuer geltend machen.

Druck: Fränkische Nachrichten 8.7.2014