In diesen Wochen wird die so genannte „Bettlade“, das Grabmonument des Grafen Ludwig zu Löwenstein und seiner Frau Anna, in der Wertheimer Stiftskirche nach erfolgreicher Restaurierung Schicht für Schicht wieder aufgebaut. Deshalb soll an dieser Stelle daran erinnert werden, wie das Epitaph einst nach Wertheim gekommen war. 1614, drei Jahre nach dem Tod des Grafen, hatten seine Söhne einen Vertrag mit dem Bildhauer Michael Kern aus Forchtenberg geschlossen, der die Lieferung der Arbeit bis spätestens Ostern 1616 vorgesehen hatte. Der Zeitplan hatte sich verschoben, wie das bei Bausachen ja bis heute vorkommt. Kern, der ein berühmter und vielbeschäftigter Mann war, wies die Schuld daran weit von sich. Teile des Werks waren schon lange fertig, meinte er, nur waren die Wagen aus Wertheim, die sie an die Tauber bringen sollten, immer ausgeblieben. Außerdem hatte er lange auf die Vorlagen für die Wappen an dem Denkmal warten müssen, und auch für die Auswahl der Historien und biblischen Geschichten, die er ins Bild setzen sollte, hatte man sich in Wertheim lange Zeit gelassen.

Sepultur in der Stiftskirche

Während sich die Lieferung des Grabdenkmals verzögerte, plante man in Wertheim 1616 andere, erstaunliche Dinge. Pläne zur „Erbauung einer gräflichen Sepultur in der Kirch“ wurden erwogen, ein separates Gewölbe, mit dem Chor durch eine Tür verbunden, überwiegend unter der Erde gelegen aber mit Oberlichtern für natürliches Licht. Planten die Löwensteiner hier eine separate Grablege für sich in der Stiftskirche? Stadtmüller Gottfried Bocatius, ein gelernter Zimmermann, hatte hierzu ein Gutachten verfasst. Chorverwalter Huber steuerte Überlegungen zu einem Entwässerungssystem bei, damit „die gräflichen Leichen Wassers gesichert“ wären. Die Sache war kompliziert, weil durch den Graben die Mauer, auf der das Pfarrhaus stand, nicht beschädigt werden durfte. Der Chor der Stiftskirche war schon damals ein baulich sehr sensibler Bereich und so war es vermutlich besser, dass diese Überlegungen nicht realisiert wurden.

So wartete man auf das Grabmal des Meisters aus Forchtenberg. Im April 1618 schrieb Kern, sieben Wagenfuhren seien fertig und die Aufstellung könne bis Jacobi (Juli 25) oder spätestens Bartholomäi (August 24) „unfehlbar“ erfolgen. Wertheim solle Wagen schicken, mit je vier Pferden bespannt – es war ein Schwertransport. Ende Mai schrieb Kern erneut, weil die aus Wertheim erwarteten Wagen ausgeblieben waren. Der Bildhauer erinnerte daran, dass es schön wäre, wenn man das Werk in diesem Sommer aufrichten könnte. Und nun es ging voran. Im Juli wurde ein Vertrag mit dem Wertheimer Steinmetzen Jacob Maurer verhandelt, der Kern beim Aufstellen des Monuments helfen sollte. Der hatte sich dies eigens in seinem Auftrag zusichern lassen: vier Mann helfen beim Aufstellen, drei dürfen Frondienstleistende sein, aber der vierte muss ein Steinmetz sein. Beim Aufbau wurden fachkundige Hände gebraucht.

Im September 1618 folgte ein weiterer Vertrag mit Steinmetz Maurer. Er sollte alte Denkmäler versetzen, um Platz für das neue zu schaffen. Das „alte, große, mitten im Chor liegende und erhobene“ Epitaph soll weg. Dafür soll der Steinmetz die vier daneben liegenden Grabsteine ausbauen und an einem noch zu bestimmendem Ort ablegen, das stehende Epitaph soll er „am kleinen Schnecklein im Chor in die Mauer“ versetzen, ohne es zu zerbrechen. Die Pläne für die Sepultur waren also endgültig aufgegeben worden.

Neue Aufträge

Wann die Bettlade dann genau aus Forchtenberg kam und in Wertheim aufgestellt wurde, ist leider nicht zu erkennen. Aber man hat es wohl schließlich vor dem Beginn der Kälte, also vor Einbruch des Winters, geschafft. Meister Kern nutzte die Aufstellung geschickt, um sich gleich den nächsten Auftrag zu sichern. Er warf nämlich einen prüfenden Blick auf die bereits vorhandenen Grabdenkmäler in der Stiftskirche, und siehe da: Kern erkannte Restaurierungsbedarf. Vom 5. November 1618 datiert eine Liste von seiner Hand, in der er die Mängel festhielt. Schlimm sah es zum Beispiel beim Grab Georgs von Isenburg-Büdingens aus: zahlreiche Wappen waren ebenso defekt wie der Dolch in seiner Hand und der Helm zu seinen Füßen. Der Wertheimer Chorverwalter, der die Reparaturen bezahlen musste, wird es nicht gerne gehört haben – schließlich war der Isenburger erst 1577 gestorben und das Grabmal also vergleichsweise frisch. Auch am Grabmal des 1574 gestorbenen Königsteiners sah es nicht gut aus: Defekte an den Gesimsen, bei der Justitia müssen Schwert und Wage ausgebessert werden, der Dolch fehlt ganz.

All dies konnte natürlich so nicht bleiben und so bekam Kern den gewünschten Vertrag zur Reparatur. Für 46 Gulden sollte er die Schäden innerhalb eines Monats beseitigen. Im Vergleich mit den 1380 Gulden, die er für die Herstellung der Bettlade erhalten hatte, waren dies vergleichsweise Peanuts. Trotzdem wird Dekan Büsing gewarnt sein, wenn die Restauratoren beim Aufbau der sanierten Bettlade einen Blick auf die anderen Denkmäler werfen. Vermutlich entdecken sie den einen oder anderen fehlenden Dolch, genau wie Meister Kern vor 400 Jahren.

Druck: Fränkische Nachrichten 30.7.2014