Im Frühjahr 1584 begannen sieben Studenten aus Wertheim ein Studium an der Universität Wittenberg. Eine hohe Zahl. Die Universität Martin Luthers war für die Wertheimer attraktiv. Unter den sieben waren auch die Brüder Vitus und Nikolaus Streck. Ihr Vater war in Wertheim ein bedeutender Mann: der oberste Pfarrer der Grafschaft Wertheim, Superintendent Peter Streck. Ganz gewiss wird er die Wahl des Studienorts beeinflusst haben, schließlich musste er das Studium bezahlen. Aber er wird es gern getan haben. Damals kam es nämlich häufig vor, dass aus einem Pfarrerhaushalt neue Pfarrer hervorgingen, wie sich das auch bei den Strecks abzeichnete.

Vater Peter Streck hatte zwar erst wenige Jahre zuvor in Wertheim angefangen, aber er war ein altgedienter Kirchenmann und seit mehr als 32 Jahren Prediger. Aus Thüringen stammend, war er zunächst in sächsischen Diensten gewesen, die er aber in den 1560er Jahren, als es zu Auseinandersetzungen über die richtige Auslegung der Lehre Luthers gekommen war, verlassen musste. Fortan predigte er in der Grafschaft Henneberg, vor allem in Suhl, wo er 1574 auch Mitglied des Konsistoriums wurde. Als die Henneberger ausstarben und der Erbantritt Sachsens bevorstand, fürchtete Streck, nun könnten Zustände einreißen, die mit der Augsburger Konfession nichts mehr zu tun hätten.

Da kam ihm das Angebot aus Wertheim wohl gerade recht. Vermittelt hatte es sein Sohn Valentin, der damals bereits Pfarrer im wertheimischen Laudenbach war. Strecks Dienstvertrag stammt aus dem Jahr 1582. Darin verpflichtete er sich zu Predigten am Sonntag, Dienstag und Donnerstag und zur Unterrichtung der Pfarrkinder gemäß Augsburger Bekenntnis. Außerdem hatte er Inspektion und Aufsicht über alle Pfarrer und Kirchendiener der Grafschaft Wertheim, während Einsetzung und Beurlaubung, Weisungen an und Jurisdiktion über diese allein der Obrigkeit zustehen sollten. Streng sollte er darauf achten, dass bei Lehre und Zeremonien nichts Ungebräuchliches eingeführt würde. Schließlich hatte er das Examen der Pfarrer durchzuführen sowie die Schulen zu überprüfen. Für all dies bekam Peter Streck jährlich die ansehnliche Bezahlung von 140 Gulden zuzüglich Naturalien, zu denen auch zwei Fuder (1840 Liter) Wein gehörten.

Streck selbst beschrieb den Dienst als schwer. Er befinde sich in Wertheim „in großer Mühe und Arbeit mitten unter Papisten“, womit vermutlich die Nachbarterritorien Kurmainz und Würzburg gemeint waren. Es waren dies ja die Jahrzehnte der heftigen Auseinandersetzungen zwischen Wertheim und dem Würzburger Bischof Julius Echter.

Sorgen mit den Kindern

Von seinen Einkünften hatte er eine erhebliche Anzahl Kinder zu unterhalten. Vierzehn waren geboren worden, acht waren 1585 noch am Leben. Große Sorgen machte seinem Vater 1585 wohl der in Wittenberg studierende Sohn Nikolaus. Er hatte nämlich, versehentlich oder nicht, jemanden umgebracht.

Darüber entwickelte sich eine Korrespondenz zwischen dem Superintendenten aus Wertheim und der „hochlöblichen Universität“ in Wittenberg, vertreten durch „Rector, Magistri und Doctores“. Streck entschuldigte sich für allen Ärger, den sein Sohn „mit Sauferei und Schlägerei“ in Wittenberg verursacht hatte. In der Sache des Totschlags aber hielt er zu seinem Sohn. Was war passiert? Sohn Nikolaus soll in Wittenberg Streit wegen 15 Pfennig gehabt haben, worüber es zu einer mit Waffen geführten Schlägerei kam, in deren Verlauf er den eigentlich unbeteiligten Peter Vetter erstach. Vater Streck wusste wohl auch nicht so recht, wo sein Sohn den Gebrauch von Stichwaffen gelernt hatte, und kommentierte, dass er dies „ebenso wenig lobe an meinem Sohn, als die Universität“. Juristisch gesehen hätte die Universität Streck nun ausschließen können mit der Folge, dass die weltliche Obrigkeit ihn vermutlich sehr empfindlich bestraft hätte. Als Ausweg erschien allen Beteiligten ein Vergleich mit den Angehörigen des Opfers. So etwas war damals noch möglich: Wenn sich Täter- und Opferfamilie einigten und eine Sühne festlegten, konnte von Staats wegen auf eine Verfolgung der Tat verzichtet werden. Ein Ausweg, der dem Pfarrersohn auch noch berufliche Möglichkeiten beließ. Man einigte sich auf eine Zahlung von 40 Gulden. Für Vater Streck war das sehr viel Geld, schließlich ging ungefähr die Hälfte seines Jahreseinkommens für das Studium seiner beiden Söhne in Wittenberg drauf, wie er nicht ohne einen gewissen Unterton nach Sachsen schrieb. Außerdem sehe er gar nicht ein, schrieb Streck, für die Taten seines Sohnes haften zu müssen.

Schließlich war es auch nicht Peter Streck, der die 40 Gulden bezahlte, sondern Graf Ludwig zu Löwenstein. Im Dezember 1587 quittierte die Universität Wittenberg dem Grafen über das Geld, womit die Familie des Opfers abgefunden und die Sache für Nikolaus Streck aus der Welt war.

In späteren Jahren kümmerte sich Vater Streck immer wieder um die Versorgung seiner Söhne. Für einen Superintendenten gehörten eben auch die eigenen Söhne zu den Schäfchen, um die er sich kümmern musste. Vitus wurde schließlich ebenfalls Pfarrer in Laudenbach. Und selbst bei Nikolaus, der nach dem Totschlag ja keine weiße Weste mehr hatte, war sein Vater erfolgreich. Pfarrer wurde er nicht, aber für einen Lehrerposten an der Deutschen Schule in Wertheim reichte es noch. 1604 trat Nikolaus seinen Dienst an, den er mehrere Jahrzehnte versah.

Auch sein Vater Peter Streck hatte dem Wertheimer Kirchenwesen lange Jahrzehnte vorgestanden, als er 1611 starb. Trotz aller Sorgen hatte das mit der Dynastiebildung schließlich hingehauen. Mindestens ein Enkel Strecks wurde als Pfarrer ordiniert.

Druck: Fränkische Nachrichten 21.8.2014