Wer in der frühen Neuzeit von Wertheim aus eine Kur antrat, der ging häufig nach Wiesbaden. Die dortigen heißen Quellen hatten bereits den Römern Linderung und Wohlbehagen gebracht. Um 1600 muss ihr Ruf hervorragend gewesen sein.

Im Mai 1606 brachen die drei Löwensteiner Prinzen Friedrich, Wolf Ernst und Johann Dietrich Richtung Wiesbaden auf. Friedrich war 29 Jahre alt, sein Bruder Wolf Ernst 28 und Johann Dietrich gar erst 21 Jahre alt. Alle drei waren, dies sei nur nebenbei erwähnt, noch unverheiratet. Junge Kerle also, denen die Rentenversicherung heute sicher keine Kur genehmigen würde. Aber damals ging es auch noch um anderes als die bloße Wiederherstellung der Arbeitskraft. Adelige auf Kur, das hieß auch: Repräsentation. Die Wertheimer Prinzen sollten gewiss in Wiesbaden nicht nur Wasser trinken, sondern auch bella figura machen und ein gutes Bild abgeben. Deswegen trat einige Tage vor ihnen ein Vorauskommando von vier Wertheimer Schiffern die Reise an und brachte Wein, Essensvorräte und Kisten mit Kleidern nach Wiesbaden.

Am 26. Mai betraten dann die Prinzen das Schiff und tätigten gleich Ausgaben für Fleisch, Brot und Eier. In Aschaffenburg hielt man an und besichtigte die Baustelle des Aschaffenburger Schlosses, wo man den Steinmetzen und Maurern eine kleine Aufmerksamkeit zukommen ließ. In Stockstadt wurde übernachtet und am nächsten Tag in Frankfurt die Ausrüstung für die Kur ergänzt: Reis, Pflaumen, Olivenöl, holländischer Käse, Rettich und Kirschen. Etliche Maß Bier dienten der Einstimmung auf einen geregelten Kurablauf.

Immer wieder Kirschen

Das Ernährungsprogramm in Wiesbaden ließ keine Monotonie aufkommen. Den ersten Tag der Kur beging man mit 50 Eiern, Erdbeeren, Zwiebeln, Stockfisch, Salat, Petersilie und Bier. Am 1. Juni aßen die Prinzen Huhn-, Lamm- und Rehpasteten, Erdbeeren, Salat, Grünkraut und Kirschen. Am 2. Juni standen Milch, Rettich, Erdbeeren, Salat und eine Erdbeertorte mit weißem Zucker auf dem Tisch. Alle zwei Tage wurden 100 Krebse gekauft. Zentraler Bestandteil der prinzlichen Diät waren aber eindeutig Kirschen. Bis zu sechs Pfund vertilgten sie täglich. Zur eigentlichen Kur gehörte das Sauerbrunnen-Wasser, von dem die Prinzen jeden Tag zwei bis drei Krüge orderten. Mehrfach besorgte man sich aus Mainz auch Nürnberger Lebkuchen, eine Delikatesse, mit der die Löwensteiner Prinzen in Wiesbaden fränkische Lebensart demonstrieren konnten. Und auch an einem anderen fränkischen Grundnahrungsmittel, dem Wein, litt man während der Kur keinen Mangel. Während der gut vier Wochen dauernden Kur verbrauchten die Prinzen neun Eimer Wein, also etwa 800 Liter. Geld musste dafür nicht ausgegeben werden, weil man den Wein vollständig von zuhause mitgebracht hatte. Möglicherweise hatten die Wertheimer Ärzte empfohlen, während der Kur aus Gesundheitsgründen nur Wertheimer Wein zu trinken, und vielleicht boten die Prinzen den anderen Gästen im Kurpark auch großzügig einen Schoppen an.

Seidenknöpfe an der Bluse

Übrigens waren nur zwei Jahre zuvor die beiden Schwestern der Löwensteiner Prinzen ihrerseits in Wiesbaden auf Kur gewesen. Unterkunft hatten sie im August 1604 in der Gastwirtschaft „Zum Spiegel“ bezogen, genau wie später ihre Brüder. Vater Ludwig zu Löwenstein, der die Kuren bezahlen musste, dürfte mit der Unterkunft folglich zufrieden gewesen sein. Vom Preis her gesehen bewegten sich Töchter und Söhne im selben Rahmen: Für die Töchter zahlte Vater Löwenstein 3.8 Gulden pro Person und Woche, bei den Söhnen kam er auf 3.3 Gulden. Der Speiseplan von Walburga und Katharina hatte ähnlich ausgesehen, von den Kirschen einmal abgesehen, die es im August natürlich nicht mehr gab. Dafür gab es Birnen, Trauben, Haselnüsse, Rüben und Rettich. Auch die täglichen zwei bis drei Krüge Wasser vom Sauerbrunnen nahmen die Prinzessinnen zu sich. Wie später die Brüder spendeten auch sie häufig Geld an Arme, oft mit dem Zusatz „armen siechen Leuten im Bad“. Wie später die Brüder ließen sich auch die Prinzessinnen im Bad schröpfen. Anders als die Brüder kauften sie ein Samthalsband mit Messing-Buchstaben und Seidenknöpfe für Katharinas Bluse.

Was den Wein betrifft, hatten die Prinzessinnen 8 ½ Eimer aus Wertheim mitgenommen, also fast genau so viel wie ihre Brüder, die ja immerhin eine Person mehr waren. Und der Wein hatte nicht gereicht: 4 1/2 Eimer hatten die Prinzessinnen in Mainz nachkaufen müssen. Tranken die Prinzessinnen also etwa mehr als ihre Brüder? Eine exakte Berechnung ist kaum möglich, weil man nicht weiß, auf wie viele Personen sich dieser Wein letztlich verteilte. Das Gesinde trank ja auch mit. Über den Daumen kann man aber wohl sagen, dass die Prinzessinnen ihren Brüdern nicht nachstanden, was den Weinkonsum anging.

Druck: Fränkische Nachrichten 26.8.14