Bierstadt Wertheim. Von den Tücken der Bierbeschau

Bierstadt Wertheim – gab’s das überhaupt? Historisch gesehen hören wir über Bier vor dem Jahr 1500 gar nichts, und auch danach tröpfeln die Nachrichten zunächst nur spärlich. Im Jahr 1519 verzeichnet eine Küchenrechnung des Wertheimer Grafen Georg II. ein halbes Fuder Bier im unteren Keller. Nach dem Bauernkrieg könnte dann wieder Bier nach Wertheim gekommen sein: Sittich von Berlepsch bot Georg das gute Einbecker Bier im Tausch gegen Wertheimer Wein an. Dann wieder lange nichts. In der Gastwirtschaftsordnung des Grafen Michael III. von etwa 1550, der in der Grafschaft eine rigorose Verkürzung der Trinkzeiten durchsetzen wollte, kommt Bier gar nicht vor. Wenige Jahre später entdeckte die Obrigkeit dann aber doch den Nutzen des Gerstensaftes: Bei den Steuern sollte es mit dem Bier genau so gehalten werden wie mit dem Wein.

Brauhaus Wertheim

1590 wird zum ersten Mal ein „Brauhaus zu Wertheim“ erwähnt. Und 1596 gibt es die erste Geschichte über einen Wertheimer Brauer. Sie ist, man muss es leider sagen, wenig positiv, und schlägt doch ein Dauerthema der folgenden Jahrhunderte an: Qualität. Der Wertheimer Bierbrauer hatte nämlich Catharina von Eberstein in Remlingen versprochen, ihr aus Gerste und Dinkel 16 Eimer Bier zu brauen. Geschickt hatte er aber nur 13 Eimer, außerdem war das Bier „gar schlecht“ und in der Qualität derart mies, dass das Gesinde sich sehr darüber beklagt hatte. 1598 erfahren wir dann auch, wo in Wertheim das herrschaftliche Bier gebraut wurde: im Vaitshof, also der heutigen Vaitsgasse. Graf Ludwig beschwerte sich nämlich darüber, dass der Brauer dort sein Malz zubereitete, während der Vaitshof gleichzeitig als Gefängnis diente.

Ab diesen Jahren erscheint Bier regelmäßig in der Rechnung der Burgvogtei. 1620 wird erwähnt, dass am 10. August ein Fass angezapft wurde, aus dem man bis zum 20. August sieben Eimer getrunken hatte. 560 Liter in 10 Tagen also. Leider wissen wir nicht, auf wie viele Kehlen sich die 56 Liter täglich verteilten.

Im 18. Jahrhundert gab es dann meist drei Bierbrauer in der Stadt, darunter auch Gastwirte. Sie behaupteten, das Biermonopol in der Stadt haben. Wertheimer trinkt Wertheimer Bier, war die Devise. Problematisch blieb die Qualität. 1772 warf die Regierung einen gestrengen Blick auf das Bier und stellte fest, dass das Bier der Wertheimer Brauer „schlecht“ war. Und noch etwas anderes fiel ungut auf: Der Preis war nämlich mit vier Kreuzern die Maß zwar genauso hoch wie in Frankfurt, dort war aber die Maß fast doppelt so groß. Die Lösung der Regierung für die Biermisere: mehr Kontrolle. Ein „Bierschätzer-Amt“ sollte eingerichtet werden, wofür man „verständige Männer aus der Bürgerschaft“ suchte, und Stadtamtmann Greineisen musste eine „Bierbeschauer-Ordnung“ entwerfen. Die Bierbeschauer sollten auf die Sauberkeit in den Brauhäusern achten, die Qualität von Malz und Hopfen sichern, für „weiches und helles“ Wasser beim Brauen sorgen und das Kochen des Bieres und den Zusatz der Hefen überwachen. Auf keinen Fall durfte das Bier „durch Zusätze ... verfälschet“ werden – das Wertheimer Reinheitsgebot von 1772. Verboten wurden künstliche Zusatzstoffe, die das Bier zu einem „Kopfreißer“ machten, worunter wir uns wohl rasende Kopfschmerzen vorstellen dürfen.

Bierordnung und Bierbeschau

Aber die Sache mit der Bierordnung blieb schwierig. 1774 war sie immer noch nicht fertig. Der Stadtamtmann verteidigte sich, das Bierbrauen sei von vorne bis hinten, vom Malzmachen bis zur Gärung, eine „chemische Beschäftigung“, weshalb fürs Beschauen besser ein Mediziner als ein Beamter genommen würde. Der Vorgang des Brauens sei derart kompliziert, meinte Greineisen, dass selbst die meisten gelernten Brauer nicht durchblicken würden. Dazu gab es auch das Sprichwort: Brauen und Backen geraten nicht zu allen Zeit wohl. 1775 trat die Ordnung dann schließlich doch in Kraft.

Besonders segensreich scheint sie nicht gewirkt zu haben. 1791 zapften die drei Wertheimer Brauer „ein so schlechtes, dünnes, mageres und übelschmeckendes Bier“, dass man es kaum noch trinken kann, und verkaufen trotzdem zum alten Preis. Daraufhin befahl die Regierung dem Rentmeister, innerhalb von acht Tagen für gescheites Bier zu sorgen. Wie, wurde nicht gesagt. Im Zuge der weiteren Ermittlungen stellte sich heraus, dass die Bierbesichtigung gar nicht mehr stattfand und die Steuereinnehmer behaupteten, vom Bier keine Ahnung zu haben. So könnte denn das Amt für Bierbeschau etwas ganz Besonderes in der Wertheimer Geschichte sein: Eine Behörde, die zu existieren aufhörte. Wer weiß, vielleicht hatten die Beschauer es beim Bier auch übertrieben, und das war dann auch wieder nicht gut gewesen. Erst verschwand das Bier beim Beschauen, und dann löste sich die Behörde auf.

Druck: Fränkische Nachrichten 22.5.2015