Die erste Wertheimer Brücke über den Main wurde 1881/82 errichtet. Vorher musste, wer trockenen Fußes über den Fluss kommen wollte, die Fähre besteigen. Nach dem Krieg erlebte das „Fahr“ für einige Jahre nochmal eine Konjunktur, weil die Brücke zerstört war. Maximal drei Personenwagen fanden Platz auf der Fähre der Gebrüder Götz, die an einem Seil geführt wurde und vor dem Maintor anlandete.

In früheren Jahrhunderten legte das Fahr in Höhe der Vaitsgasse an. Das Fährrecht hatten damals die Grafen von Wertheim, deren Grafschaft sich links wie rechts des Mains befand. Sie verpachteten das Fahr. Im 18. Jahrhundert versammelten sich die interessierten Schiffer dafür in ihrem Zunfthaus und das Fahr wurde an die Meistbietenden versteigert. Die Gewinner verpflichteten sich, auf eigene Kosten mindestens zwei Schiffe als Fähren zu unterhalten. Ihre allererste Aufgabe war, die „gnädigsten Herrschaften“ und ihre Bedienten „bey Tag und Nacht, ohnentgeltlich und ohne die geringste Aufenthaltung zu befördern“. Die unentgeltliche Beförderung der Grafen wird die Fährleute geschmerzt haben, richtig ärgerlich aber war der Transport ihrer Bedienten. Denn wer war darunter alles zu verstehen? Nur die Diener, die die Grafen jeweils bei sich hatten, oder sämtliche Leute, die irgendwie für die Grafen tätig waren? Frondienstleistende, die im Auftrag der Grafen unterwegs waren, mussten ebenso umsonst befördert werden wie Soldaten.

Das Recht der Soldaten auf Benutzung der Fähre führte bisweilen zu eigenartigen Situationen. Im Winter 1763, gegen Ende des siebenjährigen Krieges, zwangen an Land liegende Soldaten die Fährer, eine Fahrrinne im Eis offen zu halten und sie überzusetzen. Das Problem dabei: Eigentlich brauchte es die Fähre gar nicht, denn das restliche Publikum lief einfach so über den Main. Der war nämlich zugefroren. Aber die Soldaten bestanden auf ihrem Recht, mit der Fähre zu fahren, und zwar umsonst. Die Fährleute hatten also Kosten, aber keine Einnahmen. In dieser Notlage entwickelten sie eine Idee: Auch die Fußgänger sollten eine Gebühr zahlen. Der Wertheimer Regierung leuchtete das ein. Sie legte fest, dass Fußgänger fortan die Hälfte der Fährgebühr an die Fährer zu zahlen hatten. Die Mitglieder der Regierung waren selbst davon natürlich nicht betroffen, sie waren ja schließlich gräfliche Bediente.

Wie man sich schon denken kann, war die Missachtung des Fährmonopols zur Mainüberquerung auch dann ein Problem, wenn der Main nicht zugefroren war. Denn der Besitz von Schelchen und kleinen Booten war weit verbreitet und zum Überqueren des Mains bei Wertheim braucht man nicht unbedingt ein Dampfboot wie zum Beispiel für den Mississippi. 1753 beschwerten sich die Fährpächter, dass in Eichel, Hasloch und Bestenheid Leute übergesetzt wurden. Einfach so. Ohne Pacht und Konzession. Ja schlimmer noch: Kaum jemand fuhr noch mit der Fähre. Offenbar wanderte damals der Wertheimer, wenn er nach Kreuzwertheim wollte, gerne zunächst nach Eichel oder Bestenheid, um dort dann überzusetzen. Unter diesen Umständen konnten die Pächter natürlich ihre Pacht nicht zahlen, fanden die Pächter. Sie verlangten Strafen für diejenigen, die ohne Erlaubnis Leute über den Main setzen. Der Wertheimer Regierung leuchtete auch dies ein, woran vermutlich die Sache mit der Pacht nicht ganz unschuldig war. Allerdings stellte die Regierung auch fest, dass sie ein entsprechendes Verbot bereits erlassen hatte. Es hielt sich nur niemand dran. Also wurde es erneut eingeschärft. Aus den Dörfern durfte nur übergesetzt werden, wer auf der anderen Mainseite Besitz hatte, Fremde gar nicht.

Neben dem immerwährenden Verdruss der Pächter sind auch Schlägereien ein häufiges Thema in den Archivalien zum Wertheimer Mainfahr. Woran das wohl lag? Sicher war die Fähre ein Ort unerwarteter sozialer Kontakte. Man konnte nicht wissen, wenn man dort treffen würde. Im Jahr 1600 geriet der Wertheimer Hans Bauer in eine Schlägerei zwischen zwei Haslochern am Mainfahr. Beim Versuch zu schlichten holte er sich prompt eine blutige Nase, weshalb er später auf Ersatz der Krankenkosten klagte. Wir berichten von der Sache hier aber aus einem anderen Grund. Hans Bauer gab nämlich an, sich auf den Weg zur Fähre gemacht zu haben, nachdem er um 17 Uhr in Kreuzwertheim Feierabend hatte. Das Wort steht tatsächlich genau so in der Akte. Es dürfte die erste Erwähnung des Wortes „Feierabend“ in der Grafschaft Wertheim sein. Eigentlich nicht schlecht: Zuerst Feierabend in Kreuzwertheim, und dann eine kleine Bootspartie auf dem Rückweg nach Wertheim. Das Mainfahr machte es möglich.

Druck: Fränkische Nachrichten 12.6.2015