Philipp Metzler will Wertheimer Bürger werden

Wie wird man Wertheimer Bürger? Heute kann jeder, der deutscher Staatsbürger ist und Lust darauf verspürt, Wertheimer Bürger werden. Früher war das nicht so leicht. Die Bürger der Stadt waren schon ein besonderer Kreis. Wer entschied über die Aufnahme und wie lief das Verfahren ab? Verfolgen wir das Beispiel des Metzgergesellen Philipp Metzler, der im Juni 1617 gerne Wertheimer Bürger werden wollte.

Dazu verfasste er eine Bittschrift an die Kanzlei der Wertheimer Grafen. Darin schreibt er, er sei wie seine Brüder von Lengfurt nach Wertheim gekommen und habe hier das Metzgerhandwerk von ehrlichen Meistern erlernt. Das war schon mal gut. Jetzt ist ihm angeboten worden, die eheliche Tochter (gut!) des früheren Lengfurter Pfarrers (auch gut!) zu heiraten, die jetzt beim früheren Helmstädter Pfarrer (hervorragend!) Philipp Ries in Wertheim wohnt. Er habe, schreibt Metzler, dieses „blühende Glück“ nicht ausschlagen können, sondern angenommen. Nun will er dies durch Heirat, öffentlichen Kirchgang und eheliches Beilager auch realisieren und sich dann als Metzger und Bürger in Wertheim niederlassen. Dazu braucht er die Zustimmung der Grafen. Um die bittet er nun für sich und seine Zukünftige und fügt noch an, dass er die Zahlung der erforderlichen Gebühr eine Selbstverständlichkeit sei.

Ein Hinweis, der die Hofräte der Wertheimer Kanzlei ebenso erfreut haben dürfte, wie der sonstige Inhalt der Supplik. Metzler hatte bei ehrlichen Meistern in Wertheim ein ehrliches Handwerk erlernt, die Hochzeit stand vor der Tür und für den hervorragenden Ruf der Braut bürgten gleich zwei Pfarrer. Was wollte man mehr? Aber die Hofräte wollten es trotzdem genauer wissen und fragten beim Bürgermeister an, was man bei der Stadt von „Wesen, Verhalten und Vermögen“ Metzlers wusste. Das war das normale Verfahren. Die Stadt durfte sich zumindest äußern, wenn es um die Aufnahme neuer Bürger in Wertheim ging.

Bei Metzler hatte sie keine Einwände. Er hatte einen Berufsabschluss und von Klagen über ihn war nichts bekannt. Dies war wohl das, was die Kanzlei unter „Wesen und Verhalten“ abgefragt hatte. Charakterlich passte Metzler nach Wertheim, so die Antwort der Stadt. Und auch beim nächsten Punkt, dem „Vermögen“ sah es gut aus: der Bürgermeister schätzte es auf 500 Gulden, eine hohe Summe etwa im Gegenwert eines schon recht ansehnlichen Hauses in der Stadt. Das Wort der Stadt für Metzlers Besitz ist hier übrigens „Reinbringen“ – man kann das ganz wörtlich verstehen. Der Metzgergeselle brachte etwas mit in die Stadt, und das sah man gern. Für seine Verlobte galt dasselbe: sie ist „züchtig und ehrlich“ und bringt ihrerseits nochmals 200 Gulden mit. 200 Gulden waren genau das Mindestvermögen, das eine Verordnung der Grafen für Neubürger vorsah. Deshalb schrieb die Stadt, man sei ganz zufrieden, wenn die Grafen Philipp Metzler und Frau „als Mitbürger und Bürgerin“ in Wertheim aufnehmen würden. So dürfte es geschehen sein. Metzler zahlte eine für ihn unerhebliche Aufnahmegebühr von sechs Gulden und wurde Wertheimer Bürger.

Wer entschied also über die Aufnahme neuer Bürger in Wertheim? Letztlich war es die Kanzlei der Grafen als Landesherr. So lautete auch die Regelung im Vertrag von 1562 zwischen Stadt und Grafen: „daß dieselben Einziehenden mit unserem Wissen angenommen werden“ hatte Graf Ludwig zu Stolberg-Königstein dort formuliert.

Allerdings konnte die Stadt durchaus Einfluss nehmen. Sie berichtete über den damals so entscheidenden guten Ruf, den Leumund, des Interessenten. Ein sinnvolles Verfahren, denn für die Stadt waren die notwendigen Informationen vermutlich leichter zugänglich als den Kanzleibeamten. Und sie konnten der Kanzlei mitteilen, ob jemand nach ihrer Meinung in die Stadt passte, gekleidet in das Kriterium, ob es Klagen über ihn gegeben hatte. Und die Stadt berichtete, ob das Kriterium der 200 Gulden vermögen erfüllt war. Vermutlich hat sich die gräfliche Kanzlei in der Regel dem Votum der Stadt angeschlossen. Vielleicht sollte man hier auch gar nicht allzu sehr nach Gegensätzen suchen: Aus Sicht der Bürger waren Stadt und Grafen beide Obrigkeiten, die sich bei der Neubürgeraufnahme auf ein Ergebnis einigen mussten und dies in aller Regel auch taten. Die Stadtbürger waren dann auch stolz auf ihren Bürgerstatus und ihre Stadt, die auch die Neubürgerlisten führte, während es den Grafen im Grunde egal war, wer Bürgerrechte hatte, solange nur die Steuern bezahlt wurden.

Druck: Fränkische Nachrichten 8.10.2015