An dieser Stelle war bereits die Rede von Gräfin Barbara von Wertheim, einer geborenen Limpurg, die nach dem Tod des Grafen Georg II. lange Jahre für ihren unmündigen Sohn Michael die Geschäfte führte. Damals wurde Wertheim – wenn auch nicht allein – von einer Frau regiert. Zu einer weiteren regierenden Gräfin wurde die Ehefrau Michaels, die dieser 1549 geheiratet hatte. Katharina von Stolberg wurde mit dem Tod des letzten Wertheimer Grafen Michael 1556 zur Witwe. Sie war die erste, die in der Mühlenstraße eine Hofhaltung einrichtete und so eine Tradition begründete, die bis zum heutigen Rathaus reicht. Nach dem Tod ihres Vaters 1574 übernahmen dessen drei Schwiegersöhne abwechselnd die Regierung der Grafschaft Wertheim. Unter ihnen auch Graf Philipp von Eberstein, der zweite Mann Katharinas, den sie 1566 geheiratet hatte.

Die in Südwestdeutschland sitzenden Eberstein waren ein altes Geschlecht und Philipp als kaiserlicher Rat, Hauptmann und Landvogt im Elsass eine mit respektablen Ämtern versehene Person. In einem nicht unwichtigen Punkt allerdings befanden sich die Eberstein schon damals in einem kritischen Zustand: Sie waren stark verschuldet. Bis zum Hals wateten die Ebersteiner in Zahlungsverpflichtungen, denen sie nicht nachkommen konnten. Darunter befanden sich auch Forderungen wie die des Kaspar Melchior von Angeloch, bei dem der Vater des Philipp von Eberstein Schloss Streichenberg und Burg Steppach für mehr als 16 000 Gulden gekauft, aber nie bezahlt hatte. Diese Ebersteiner Schuldensachen sollten fortan auch Gräfin Katharina und die anderen Regenten der Grafschaft Wertheim stark beschäftigen. Graf Philipp nämlich wurde nämlich zusehends kränker. Er litt an einer Gemütskrankheit, damals sprach man schlicht von „Wahnsinn“, die 1577 zu seiner Entmündigung führte. Er bekam einen Vormund, aber die eigentliche Geschäftsführerin in ihrer Residenz in Remlingen war seine Frau Katharina. Sie wurde nun also bis zu ihrem Tod 1598 Mitregentin der Grafschaft Wertheim, und damit haben wir hier einen weiteren Zeitraum, in dem Wertheim von einer Frau regiert wurde.

Spätestens 1577 war Philipp von Eberstein nach Remlingen, damals ein Ort der Grafschaft Wertheim, ins Schloss übersiedelt. Vermutlich war er da bereits schwer krank. 1576 hatte der Graf bei Bernhard Schack in Schaffhausen eine Kur absolviert. Zum Abschluss gab Schack ihm eine Anleitung mit, um seine „Blödigkeit“ zu mildern. Zweimal die Woche sollte morgens ein Wasser gebraucht werden und jeden Morgen ein bestimmtes Konfekt. Im Bett sollte er stets eine bestimmte Haube aufsetzen. Gebracht hat es wohl nichts. Katharina stellte bald Pfleger für ihren Mann ein, die sie gerne vom Bodensee holte. 1579 wurde ein Vertrag mit Hans Friedlein aus Konstanz gemacht. Er sollte dem Grafen aufwarten und in seinem Gemach „die Ordnung halten“. Er sollte auch den Grafen und andere vor Schaden bewahren, Messer und Ähnliches einkassieren, weil die Krankheit mit Tobsuchtsanfällen („Zorn“) einherging. Offenbar bestand die Gefahr, dass Graf Philipp sich selbst verletzte. Ganz ähnlich hieß es zwei Jahre später, als mit Jörg Wolflein aus Waltenweiler erneut ein Pfleger vom Bodensee kam. Er versprach, sich rund um die Uhr mit Graf Philipp in einem Raum aufzuhalten („in dem Gemach, darinnen ihr Gnaden verwahrt werden“). Offenbar konnte man den Grafen nun gar nicht mehr alleine lassen. Messer und Dolche sollte er zwischen den Mahlzeiten gut verwahren und bei gemeinsamen Mahlzeiten, wenn Philipp mit seiner Frau zu Tisch saß, aufpassen, dass ihr nichts geschah. Trotz des „Wahnsinns“ ihres Mannes hielt Katharina also an gemeinsamen Mahlzeiten fest. Die Pfleger taten übrigens immer zwei Tage Dienst am Stück und hatten dann den dritten frei. Bezahlung für Wölflein: 25 Gulden plus sechs Gulden für Winterkleid und Stiefel, Verpflegung inklusive. Das war nicht wenig Geld. Man kann wohl sagen, dass Katharina sich gut um ihren Mann kümmerte, auch wenn ihr Leben nun ganz anders verlief, als sie es sich 1549 bei der ersten Heirat mit dem Wertheimer Grafen ausgemalt haben mag. Zum behandelnden Arzt wurde Dr. Johannes Posthius aus Würzburg bestellt, der auch Leibarzt des Würzburger Bischofs Julius Echter war. Eine größere Kapazität war damals wohl kaum nach Remlingen zu bekommen.

1578 schildert Amtmann Kettner in einem Brief aus Remlingen an die verreiste Gräfin Katharina den Zustand ihres Mannes. Es geht ihm, Gottseidank, soweit gut. Im Schlosshof ist es ziemlich still, weil so wenig Gesinde da ist – das scheint Philipp zu Gute zu kommen. Und Dr. Posthius war da, Philipp hat das erste Mal morgens den verordneten Kräuterwein eingenommen. Kettner äußert noch die Hoffnung, dass der Allmächtige „diese langwierige Blödigkeit“ wieder zu „vollkommener Gesundheit und dem alten Verstand“ führen werde. Diese Hoffnung erfüllte sich nicht. In ihrem Testament von 1582 traf Katharina von Eberstein Regelungen für die Versorgung ihres Mannes. Er sei „von Hauptblödigkeit angegriffen und heimgesucht“, heißt es, weshalb sie ihm für den Fall ihres Todes verschiedene Renten aussetzte. Der Fall trat nicht ein, Katharina überlebte ihren Mann schließlich um fast zehn Jahre.

Das Ende des Grafen Eberstein kam am 11. September 1589, abends zwischen 5 und 6 Uhr. Wie damals üblich, schilderte der Remlinger Pfarrer Blasius Klettenmaier die letzten Tage in einer Leichenpredigt. Am Tag vor seinem Tod besucht ihn noch Graf Christoph zu Löwenstein-Wertheim „in der Saalstube“. Philipp empfängt ihn „freundlich und vernünftig“, und auf seine mitfühlenden Worte entgegnet er: „Es könnte itzo und wölt auch nit anders sein. Es müsste also sein.“ Am Abend sitzt er ein wenig auf einem Stuhl, legt sich dann wieder hin. Er betet mit dem Pfarrer, und wiederholt selbst den Schluss des Vaterunsers, bevor er den Umstehenden – seine Gattin, Graf Christoph zu Löwenstein und andere, nicht namentlich genannte – eine gute Nacht wünscht. Philipp selbst ruht die ganze Nacht sanft, „als ob sie kein Schwachheit hätten“. Am nächsten Morgen geht es trotzdem schlecht, die Krankheit hat sich „heftig gemehret“. Nachmittags besucht ihn der Pfarrer wieder und Philipp meint: „Ich werde je länger je schwächer.“ Am Nachmittag lacht er noch einmal, was die Umstehenden, darunter wieder seine Frau, zum Weinen bringt. Der Pfarrer kommentiert, Philipp habe da wohl „einen praegustum et aspectum vitae aeternae, einen Vorgeschmack und Anblick des ewigen Lebens“ gehabt. Philipp stirbt schließlich, so heißt es in dem Bericht, „ohne fernere Ach und Wehe, vernünftig und seliglich, christlich und still.“

So starb er also, Philipp von Eberstein. Als der Wertheimer Stadtschreiber im unteren Schloss Remlingen ein Inventar seiner Hinterlassenschaft zusammenstellte, kamen noch interessante Dinge zu Tage. So hatte der Graf seinen Siegelstempel und einige Ringe in den Wassergraben des Schlosses geschleudert. Trotz eifrigen Suchens waren sie nicht wieder aufzufinden. Dafür fanden sich zahlreiche Preziosen wie ein vergoldeter Becher, den Marx Fugger dem Grafen zur Hochzeit geschenkt hatte, und ein vergoldeter Kopf, ein Hochzeitsgeschenk des Grafen von Hohenlohe. Seine Mutter hatte dem Grafen zur Hochzeit einen silbernen Wagen geschenkt. Er besaß einen schwarzen samtenen „Himmel“ (vermutlich für sein Bett) mit gestickten Engeln, einen Wandteppich mit ebersteinischem Wappen und einen „alten türkischen Teppich“.

Beigesetzt wurde Philipp in der Wertheimer Stiftskirche. Und auf dem Grabmal Katharinas steht er neben seiner Frau, auf der anderen Seite ihr erster Mann. Das Grabmal wurde von Katharina zu ihren Lebzeiten errichtet und zeigt uns also, wie sie gesehen werden wollte. Mächtig überragt das Denkmal alle anderen in der Stiftskirche. Katharina wirkt ziemlich matronenhaft. Aber das ist eine Einschätzung von heute. Folgt man der Darstellung von Judith Wipfler zu den Grabdenkmälern im Wertheimer Jahrbuch von 1996, handelt es sich um eine „individuelle Darstellung der einzelnen Personen mit den charakteristischen Physiognomien“. So sahen sie also aus, die Gräfin Katharina und ihre beiden Männer, der letzte Wertheimer Graf Michael und der gemütskranke Philipp.

Druck: Fränkische Nachrichten 12.9.2012