Das Kloster Bronnbach war im Mittelalter sozusagen an der Grenze zwischen der Grafschaft Wertheim und den Gebieten der Bistümer Mainz und Würzburg gegründet worden. Die Wertheimer Grafen wurden zu Vögten des Klosters. Das bedeutete: Sie vertraten und schützten die geistliche Einrichtung in der sie umgebenden Welt. Später entwickelte sich aus solchen und anderen Rechten die Hoheit über ein Territorium. Aus Vögten wurden Landesherren. In Bronnbach führte das zu Schwierigkeiten, als die Wertheimer Grafen ausstarben und fortan die Würzburger Bischöfe den Schutz des Klosters als ihre Aufgabe ansahen.
Mit der Hoheit war auch das Geleit verbunden, ein aus dem Mittelalter stammendes Recht. Wer das Geleitsrecht hatte, durfte durchreisende Fremde begleiten und schützen und dafür, versteht sich, eine gewisse Gebühr erheben. Aber die Gebühr war nur das Eine, wichtiger war die symbolische Seite: Wer Fremde begleiten durfte, der war der Herr des Landes. Und genau hierüber gab es um 1600 erbitterte Auseinandersetzungen zwischen Wertheim und Würzburg in Freudenberg und Homburg am Main. Im Sommer 1613 eskalierte der Streit auch im Kloster Bronnbach. Der Anlass: Hoher Besuch. Denn mit dem Besuch kam die Frage, wer ihn begleiten durfte.
Am 6. Juli 1613 schrieb Abt Sebastian Udalrici an den Bischof nach Würzburg. Der Erzbischof und Kurfürst von Trier würde am kommenden Sonntag von Miltenberg nach Würzburg reisen. So weit, so gut. Aber nun: Der Fürst sei „zu Bronnbach bei mir das Mittagmahl und Futter zu nehmen genädigst gesinnet“, wobei sich die Mahlzeit auf den Fürsten und seine Begleiter, das „Futter“ auf ihre Pferde bezog. Fast 400 Jahre später meint man noch nachfühlen zu können, wie dem Abt der Schweiß auf die Stirn trat, wenn er an seine Speisekammer und seine Scheuer dachte. Und Zeit blieb auch kaum noch. Dabei war die Lage in Bronnbach nicht so, schrieb der Abt, dass man „einen so großen Herren seiner Reputation gemäß“ empfangen könne. Deshalb seine dringende Bitte nach Würzburg, etwas in die Bronnbacher Küche zu schaffen.
Einen Tag später präsentierte sich die Lage verändert, allerdings kaum zum Guten: Der Kurfürst wollte nun nicht nur über Mittag bleiben, sondern in Bronnbach sogar übernachten. Mit 250 Personen. Das bedeutete: Großalarm im Kloster Bronnbach. Ein Reichsfürst mitsamt seinen „stattlichen Räten“ war auf dem Weg und man war nicht vorbereitet. Als riefe heute Ministerpräsident Kretzschmann an, er komme morgen vorbei, bringe sämtliche Minister und Landtagsabgeordneten mit und habe den kompletten Fuhrpark der Regierung zum Auftanken dabei.
Der Abt schickte einen Boten an den Kurmainzer Keller in Külsheim, ihm doch bitte mit Tischtüchern und Zinntellern auszuhelfen und alles dem Boten gleich mitzugeben.
Ob es dem Abt schließlich gelang, eine einigermaßen standesgemäße Bewirtung auf die Beine zu stellen, ist nicht bekannt. Am nächsten Morgen folgte das nächste Drama im Taubertal: Die staatsrechtliche Frage. Der Wertheimer Oberschultheiß Cuntz hatte die Bevölkerung aufgerufen, dem Kurfürsten das Geleit zu geben, und war selbst mit sechs Wertheimer Musketieren nach Bronnbach gekommen. Am Schafhof traf er auf den Tross des Trierers. Der lehnte die Begleitung durch Wertheimer ab, was diese aber nicht störte. Die Höhefelder marschierten „mit offnem Spiel voran“ zum Wagenbücher Hof und dann Richtung Neubrunn. Die Atmosphäre muss sehr aufgeladen gewesen sein. Böse Worten fielen, die Wertheimer sollen ein Würzburger Pferd verletzt haben, einigen Höhefeldern wurden Waffen gewaltsam abgenommen. Darüber kam es später zu einem Schriftwechsel zwischen den Beteiligten, darunter auch der Würzburger Amtmann in Rothenfels Philipp Echter von Mespelbrunn, den der Bischof ins Kloster geschickt hatte, um dem Kurfürsten „aufzuwarten“. Alle beteiligten Territorialherren waren damals an Schaf- und Wagenbücherhof mit bewaffneten Kräften vertreten, um ihren Herrschaftsanspruch über das Kloster Bronnbach klar zu machen.
Nur zehn Tage später wiederholte sich das Drama. Die Landgrafen von Hessen-Darmstadt Friedrich und Ludwig kündigten ihren Besuch im Taubertal an, mit 128 Personen und 120 Pferden. Abt Udalrici schrieb nach Würzburg, man möge doch bitte dieses Unheil abwenden. Nach Darmstadt schrieb er auch. Hier nun wies der Abt einleitend darauf hin, wie „von Herzen gern“ er persönlich die „glückliche Ankunft“ der Fürsten und ihrer Begleitung in seinem Kloster gesehen hätte und wie gern er sie auch untergebracht und bewirtet hätte. Allerdings: Der Kurfürst von Trier sei eben erst da gewesen, und bei dieser Gelegenheit hätten die Grafen Löwenstein sich unterstanden, ihn „vor und in unser Closter mit gewehrter [bewaffneter] Hand zu begleiten“. Dieses beanspruchte Geleit sei für sein Kloster eine große Beschwerung und ein erheblicher Nachteil gewesen – damit meinte der Abt den Anspruch auf Landeshoheit, der im Geleit zum Ausdruck kam. Er fürchte aber, so der Abt weiter, die Löwensteiner würden es wieder tun, wenn nun auch noch die Hessen kämen. Das wollte er unbedingt vermeiden. Deshalb bat Abt Udalrici die Hessen, auf die Reise durchs Taubertal zu verzichten. Anderswo sehe es auch mit Unterkünften besser aus und das Reisen sei viel bequemer, fügte er an.
Nicht schlecht argumentiert von Abt Udalrici. Genutzt hat es nichts. Am 23. Juli folgte wieder ein Brief an den Kurmainzer Keller in Külsheim, in dem von der Ankunft der Hessen am folgenden Tag die Rede war. Am 24. kamen sie zur Mittagszeit an, spannten die Pferde aus und begaben sich zur Mahlzeit.
Als sie weiterreisen wollen, wiederholt sich das Geleitsdrama. Hans Heid, der Wertheimer Schultheiß von Reicholzheim, steht vorm Kloster, bewaffnet und von Musketieren und Fußvolk begleitet. Er bietet Geleit an, die Hessen lehnen ab. Der Abt persönlich übernimmt, begleitet vom Kurmainzer Zentgrafen, das Geleit. Das bedeutete: Bronnbach ist sein eigener Herr, oder jedenfalls nicht den Wertheimern untertan. Da löst sich Thomas Schürger von Waldenhausen aus dem Pulk der Wertheimer und eilt auf den Abt zu. In seiner Hand eine Kanne Wein. Schürger will mit dem Abt trinken. Eine Provokation oder ein Versuch, die Situation zu entspannen? Jedenfalls weigert sich Abt Udalrici, worauf Schürger ihn beschimpft. Der Abt droht ihm mit dem Kerker, aber Schürger lacht nur: „Du Pfaff, was meinst Du, dass ich nach Dir frage. Ich stehe hier auf meines Herren Grund und Boden.“ Thomas Schürger beansprucht also das Kloster Bronnbach für die Löwensteiner – ein interessantes Beispiel auch für die Identifikation der Untertanen mit der Grafschaft Wertheim und natürlich eine ungemein interessante historische Konstellation damals vor dem Klostertor. Was muss der Abt sich sagen lassen!
Und nun fällt auch noch ein Schuss. Abgefeuert von Dörr Adams Sohn und gezielt auf Abt Udalrici und seinen Diener, so schildert es jedenfalls Abt Udalrici. Und noch ein Schuss, von dem niemand weiß, wer ihn abgefeuert hat. Dann rücken die Wertheimer ab. Ein Hut, ein Gewehr und eine Büchse bleiben auf dem Boden zurück.
Alles war glimpflich ausgegangen, die Verletzungen nur symbolischer Art. Abt Udalrici meldete die Vorgänge nach Würzburg und bat entschieden um Schutz vor weiteren derartigen Ereignissen. Die staatsrechtliche Lage rund ums Kloster Bronnbach blieb angespannt bis zu seinem Ende 1803.
Druck: Fränkische Nachrichten 16.2.2013