Rufina von Berlichingen muss eine selbstbewusste Frau gewesen sein, die Zeit ihres Lebens um ihre Rechte kämpfte. Leider mit wenig Erfolg, so dass sie am Ende in Armut geriet. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie in Wertheim, vermutlich in einem Haus der Rüdt von Bödigheim in der Wenzelgasse.

Rufina war selbst eine geborene Rüdt. Als sie 1585 Georg Philipp von Berlichingen heiratete, verbanden sich zwei der ältesten Rittergeschlechter der Region. Als Ehefrau zog Rufina ins Wasserschloss Höllrich bei Gemünden. Die Ehe blieb kinderlos, und nach 23 Ehejahren trennte sich ihr Mann von Rufina. Er zog nach Bamberg, wo er Hofrat war. Daraufhin verklagte Rufina ihn wegen böswilligen Verlassens und Geldforderungen, während er mit einer Klage wegen Ehebruchs gegen sie vorging. In Verdacht hatte Berlichingen Egidius Isenmann, der später Schultheiß in Schwäbisch Hall war, und Jörg Wagenbrenner, der später als Diener bei Rufina tätig war.

So viel zu dieser Ehe. Ihren Unterhalt bezog sie nach der Trennung aus ihrem Heiratsgut, also aus dem Familienvermögen der Rüdt von Bödigheim. Es reichte nie. Der Verwalter schrieb ihr deshalb 1610: „Jährlich 600 Gulden zu verzehren, ist kein Geringes, sondern ein sehr Stattliches für eine adelige einsame Frau.“ Sein Eindruck sei aber, so der Verwalter, Rufina würde bisweilen mehr als nötig ausgeben. Sie soll nicht alles kaufen und nicht immer alles tun, wozu sie gerade Lust hat.

Ob das so stimmte, weiß man nicht. Jedenfalls kam Rufina mit ihrem Geld nicht aus, machte Schulden und verklagte ihre Familie wegen der Mitgift.

Von Höllrich war sie mainaufwärts gezogen, nach Würzburg in die große Stadt. Dann kaufte sie ein Haus in Heidingsfeld. Und sie entfaltete eine umfangreiche Korrespondenz, um ihre Erbrechte durchzusetzen. Unter anderem entstand ein Briefwechsel nicht nur mit Würzburger Hofräten, sondern sogar mit Bischof Julius Echter. Der Bischof soll ihr versprochen haben, sie als Klosterverwalterin in Zell mit zwei Mägden, freier Kost und 200 Gulden jährlich einzusetzen, wenn sie ihm ihr Erbe (also ihre Erbforderungen) vermachte. Rufina konnte weit nach oben zielen. Indessen wurde nichts daraus.

Was an der Ehebruchs-Sache mit Georg Wagenbrenner dran war, kann man heute nicht mehr sagen. Jedenfalls hatten er und Rufina ein enges Verhältnis. Auf dem Totenbett hatte sie ihm versprochen, sich um seinen Sohn Hans Heinrich zu kümmern. Das tat sie dann auch, zog ihn in Heidingsfeld auf wie ihren eigenen Sohn und nahm ihn dann sogar mit nach Wertheim. Hans Heinrich hatte Barbier gelernt – das war nun etwas, was gar nicht mehr zur adeligen Sphäre gehörte, aus der Rufina eigentlich stammte.

Es muss ihr zunehmend schwerer gefallen sein, eine angemessene adelige Lebensführung zu bewahren. Die Mittel fehlten. Rufina bekam aus Bödigheim nie das Geld, das ihr zustand – so glaubte sie wenigstens. Als sie um 1624 nach Wertheim gezogen war, verfügte sie im Haus der Rüdt immerhin über mehrere Stuben und Kammern auf zwei Stockwerken. Das Haus soll 5000 Gulden wert gewesen sein und mietfrei war es auch. So freundlich waren ihre Neffen dann doch, die mittlerweile den Besitz der Rüdt verwalteten. Ob es dort in der Wenzelgasse aber noch adelig zuging, ist eine andere Frage. Einmal klagt Rufina, der Sohn des Malers Usleber und der junge Koch des Grafen Friedrich Ludwig hätten ihr am hellichten Tag ein Huhn aus dem Haus geklaut und ihm den Hals abgerissen.

In einer weißen Schachtel bewahrte sie persönliche Erinnerungsstücke auf. Dazu gehörten Erinnerungen an die Ahnen: Ein Säcklein mit dem Wappen der Rüdt, von ihrer Mutter eigenhändig genäht. Eine Haube, die ihr Vater getragen hatte und die Nachthaube ihrer Mutter. Eine Handarbeit und den Hochzeitskranz ihrer Mutter. Ein Säcklein mit den ersten Haaren ihres Mannes Georg Philipp. Der war nun schon lange tot, aber seine ersten Haare hatte Rufina immer noch. Ein Hemdlein mit einer schwarzen Seidenschnur, das sie selbst als Baby („9 Tage alt“) getragen hatte. Eigenartig war „Ein Stück Menschenhaut, so mein Junker selig sehr lieb gehabt.“ Und auch Hans Heinrich ist wieder vertreten: „Meines Hans Heinrich erste Haar.“ Haare, Hauben, Handarbeiten – so sah die Erinnerung an geliebte Menschen damals aus.

Rufinas finanzielle Lage wurde in Wertheim immer düsterer. Überall lieh sie sich Geld zusammen: Bei Graf Wolf Ernst, bei Fräulein Catharina Elisabeth, bei Spitalmeister Johann Heinrich, beim Juden Kusel, bei Notar Ambrosius Kitting, beim Kettenwirt Johann Hotz und beim Judendoktor Abraham. Alles eher kleine Summen. Rufina nahm mittlerweile offenbar alles, was sie bekommen konnte. Auch beim Fürstbischof in Würzburg suchte sie wieder Unterstützung und klagte ihm über die schwere Zeit in Wertheim. Die Pest herrschte und Rufina litt unter Hunger, Durst und Frost.

1627 bemühte sie sich um einen Platz im Hospital in Öhringen. Vorher wollte sie wissen, wie viel Wein sie im Hospitalkeller einlagern könnte und ob der Spitalmeister dafür Fässer verlieh. Aus dem Umzug nach Öhringen wurde nichts.

In ihren letzten Lebensmonaten klangen die Briefe an die Verwandtschaft immer dramatischer. Rufina fürchtet, verhungern zu müssen – schreibt sie jedenfalls. Immerhin gab es noch eine Magd, die sie pflegte.

Die wollte dann nach Rufinas Tod 1628 noch bezahlt werden. Die Hinterlassenschaft bestand aus Geschirr und Möbeln, einigen Pelzen und Mänteln, einigen Betten samt Weißzeug. Schlecht sah es aus beim Wein: „Gar keiner“ und beim Geld: „Weder Heller noch Pfennig gefunden“. So endete das Leben der Adeligen Rufina in Wertheim, das sie zwischen Bödigheim, Höllrich, Würzburg und Wertheim durch halb Unterfranken geführt hatte.

Druck: Fränkische Nachrichten 15.5.2013