Der Kampf um ein ansehnliches und reinliches Stadtbild hat in Wertheim Tradition. Bereits 1602 hatte sich Graf Ludwig, der erste Löwensteiner in Wertheim, über „abscheulich stinkende Pfützen und Wasserschleussen“ beschwert, die sich aus bürgerlichen Häusern bei der Stiftskirche ergossen und bis auf den Marktplatz liefen. Immer wieder kritisierte die Obrigkeit auch die Angewohnheit der Wertheimer, vor ihren Häusern Misthaufen anzulegen und das verbreitete Halten von Schweinen innerhalb der Stadtmauern.

Fäkalien wurden seinerzeit in Gruben oder Bottiche entsorgt. Waren sie voll, transferierte man den Inhalt auf Felder und Gärten oder kippte ihn in Main und Tauber. Bei den herrschaftlichen Gruben mussten dieses Geschäft die Scharfrichter erledigen. Im 18. Jahrhundert bekamen die Scharfrichterknechte einmal Ärger mit der Wertheimer Regierung, weil sie den aus den „Privets“ gewonnenen Unrat nicht mehr in den Main geschüttet hatten, sondern ihn am Ufer lagerten, um ihn dann zu verkaufen. Was die Wertheimer für den herrschaftlichen Unrat auszugeben bereit waren, weiß man nicht. Die Regierung ordnete jedenfalls an, den ganzen Haufen unverzüglich in den Main zu werfen.

Das Problem der Winkel

Naturgemäß hörten die Probleme auch nach dem Ende der Grafschaft Wertheim 1806 und dem Übergang an Baden nicht auf. Aber im 19. Jahrhundert begannen doch andere Zeiten. Erste Hoffnungsschimmer bot eine Verordnung von 1847, die festlegte, dass die immer heiklen Winkel zwischen den Häusern mit Rinnsteinen versehen und gepflastert werden sollten. 1866 ging man noch weiter und bestimmte, dass die Hauseigentümer die Winkel jeden Samstag reinigen sollten. Hier zeigt sich der Einfluss gewisser südwestdeutscher Regionen, zu denen man nun in engerer Verbindung stand. Doch die „Winkel“ blieben problematisch. 1899 prüfte ein staatlicher Medizinalreferent die Verhältnisse in der Stadt. Er stellte fest, dass die Winkel zur Straße hin meist durch ein Brett abgeschlossen waren. Öffne man dieses, schrieb er, finde man „das bunteste Allerlei an übelriechenden Stoffen, den flüssigen Inhalt derselben, untermischt mit Fleischresten, Gemüsfetzen und anderen zerfetzten Dingen“. Manche Angewohnheiten waren eben schwer abzustellen. Noch 1921 heißt es, die Wertheimer würfen Haushaltsabfälle und Exkremente in die Winkel zwischen den Häusern. 1923 wurden als Verfehlungen festgehalten: Putzwasser in die Winkel schütten, Abortgruben nicht abdichten, aus dem Fenster spucken sowie Fenster und Nachttöpfe mit Kot und Urin auf die Straße gießen.

1890 hatte die Stadt eine Verordnung erlassen, um das Geruchsproblem der Fäkaliengruben zu lösen. Nun waren nur noch luftdicht abgeschlossene Behälter erlaubt und für die Entfernung der Exkremente ein sogenanntes „Tonnensystem“ vorgeschrieben. Nur wohin mit dem Inhalt der Tonnen? Mancher Bürger leerte sie einfach in seinen Garten aus, und damit war das Geruchsproblem wieder da. Aber auch hierfür fand sich eine Lösung. Die Stadt errichtete einen Fäkalienkanal, der vom Zolltor in den Main führte. Seine Benutzung wurde verbindlich vorgeschrieben, Einwurfzeit für die Fäkalien von 11 Uhr nachts bis 5 Uhr morgens. Was die Anwohner am Zolltor wohl dazu sagten? Jedenfalls konnte man damals bei Nacht in Wertheims Gassen vermutlich interessante Begegnungen machen.

Das erste Wasserklosett

Nur ein Jahr nach dem Bau des Fäkalienkanals kam dann schon die nächste Innovation, dieses Mal von privater Seite. Der Kaufmann Fritz Langguth beantragte, in seinem Haus Obere Eichelgasse Wasserklosetts einzubauen. Das Abwasser wollte er durch ein Zementrohr in den Main leiten. Der Antrag ging wohl durch, und so gebührt Fritz Langguth der Ruhm, das Wasserklosett nach Wertheim gebracht zu haben. Die folgenden Jahre sahen allerdings nicht unbedingt einen Triumphzug der neuen Erfindung. 1894 plante das Hospital Wasserklosetts (mit Ableitung in die Tauber), der nächste Antrag stammt dann erst aus dem Jahr 1899, gestellt von Georg Ulzhöfer.

1896 gab es eine Neuerung beim alten Tonnensystem. Ein Unternehmer überzeugte die Stadt von den besonderen Qualitäten seiner „pneumatischen Pumpe“, mit der er „die geruchlose Leerung der Abort-Gruben“ erledigen wollte. Er bekam für zehn Jahre das Monopol auf die Leerung der Wertheimer Gruben. Um die Pumpe nicht zu gefährden, wurde damals verboten, Sand, Steine, Lumpen, Holz und Glas in die Abortgruben zu werfen, auch durfte der Grubeninhalt nicht durch Wasser unnötig verdünnt werden. Völlig überzeugt scheinen die Wertheimer von dieser Lösung durch die Stadt aber nicht gewesen zu sein. Vielleicht ärgerte sie auch, dass da nun einer das Monopol auf ihre Scheiße haben sollte. Jedenfalls kann man lesen, dass man damals im Morgengrauen in den städtischen Gassen immer wieder auf Buttenträger traf, die mit ihren Exkrementen auf dem Rücken unterwegs zu unbekannten Zielen waren.

Touristen fegen Marktplatz

Auch für den Fremdenverkehr ist die Bedeutung eines ansehnlichen und reinlichen Stadtbilds nicht zu unterschätzen. Das wurde in Wertheim früh gesehen. Im April 1933 gab es einen neuartigen Vorschlag zum Sauberhalten des Marktplatzes: Während der Saison sollten die im Rathaus übernachtenden Wanderer frühmorgens den Marktplatz reinigen. Ein städtischer Beamter bezeichnete „diese Lösung als Idealzustand“. Wie erfreulich reinlich Wertheim wohl heute wäre, bekämen die Schiffstouristen beim Landgang Besen und Kehrblech in die Hand gedrückt?

Druck: Fränkische Nachrichten 6.11.14