Keine Hochzeit mit einer katholischen Matrone
Im ersten Teil dieses Artikels über Wertheimer Neubürger war es um Philipp Metzler gegangen, der ursprünglich aus Lengfurt gekommen war. Aus Lengfurt und Marktheidenfeld, aber auch aus Hardheim und aus weiter entfernt liegenden Gegenden zogen zu Beginn des 17. Jahrhunderts neue Bewohner in die Grafschaft Wertheim. Sie mussten ihre alte Heimat verlassen. Der Grund: die Religion. Konfession wurde damals zum Migrationsgrund. In Würzburg machte Bischof Julius Echter ernst mit dem Bestreben, ein konfessionell einheitliches Territorium zu verwirklichen. Wer sich nicht zur katholischen Kirche bekannte, musste gehen. Dieses Vorgehen entsprach dem damaligen Reichsrecht mit seinem Grundsatz, dass der Landesherr die Konfession seiner Untertanen vorgeben konnte. Graf Ludwig zu Löwenstein hatte wohl um 1605 den „Glaubensflüchtlingen“ aus Würzburger Gebiet zugesagt, sie könnten sich in der Grafschaft Wertheim niederlassen und Nahrung suchen wie andere Untertanen auch. Katholische aber kamen ihrerseits nicht in die Grafschaft hinein.
Die Verleihung des Bürgerrechts war aber noch einmal eine andere Sache als der bloße Aufenthalt. Hier lief das ganz normale Verfahren ab, das wir schon von Philipp Metzler kennen. 1612 baten zwei Witwen aus Hardheim (damals ein Würzburger Amt), eine von ihnen die Witwe des Schultheißen, um Aufnahme in Wertheim. Sie waren aus Hardheim wegen „beständiger Bekenntnus Christi und seiner Lehr vertrieben“ worden. Die Wertheimer Kanzlei wollte zuerst die Frage geklärt haben, ob die beiden Würzburger Leibeigene waren. 1613 ersuchte ein Wagner aus dem bambergischen Staffelstein um das Wertheimer Bürgerrecht – der Konfessionsstreit führte also auch zu Migrationen in entferntere Gebiete. 1614 wollte Andreas Kraft aus Marktheidenfeld Wertheimer Bürger werden. Er war schon länger in Wertheim, wo ihm der allmächtige Gott eine „bequemliche Heirat beschert“ hatte. Nun war klar, dass er wegen „geänderter Religion“ nicht mehr in sein „Vaterland“ würde zurückkehren können. Der Stadtschultheiß berichtete trotz geringen Vermögens insgesamt positiv über Kraft. Im Jahr darauf ging die Supplik von Hans Reinhard aus Freudenberg ein. Er war auf Wanderschaft gewesen und hatte bei seiner Rückkehr gemerkt, dass in Freudenberg „der papistische Greuel“ eingeführt war. Die Stadt gehörte nun zu Würzburg. Reinhard wollte das nicht mitmachen und lieber Bürger in Wertheim werden.
Mitten hinein in die konfessionellen Wirren geriet mit seinem Heiratswunsch der Wertheimer Jörg Teuerkauf. Er hatte auf seiner Wanderschaft in Sommerach eine „Matrone“ kennengelernt, die es ihm angetan hatte. Sie war nicht nur katholisch, sondern bereits verheiratet gewesen. Der Ehemann war verschwunden, ein Kind war geblieben. Teuerkauf sah nun darin kein Problem mehr, weil die Ehe vom Würzburger Konsistorium geschieden war und Apollonia, so der Name der Matrone, sich bereit erklärt hatte, evangelisch zu werden. Die Eltern sind einverstanden, die Verlobung ist vollzogen und Teuerkauf bittet nun, seine „Vertraute“ Apollonia als „Untertanin und Bürgerin“ in Wertheim anzunehmen. Bürgermeister und Rat der Stadt Wertheim waren aber dagegen. Ihre Begründung: Apollonia hatte nur 120 Gulden Vermögen, zusammen mit ihrem Kind hätte sie aber 200 Gulden mitbringen müssen. Der Vater des Kindes soll, so wissen Bürgermeister und Rat, als Dieb und Mörder flüchtig geworden sein. Über ihre Eltern und eine eventuelle Leibeigenschaft fehlen alle Nachrichten. Deshalb meinen Bürgermeister und Rat, wenn es nur an ihnen läge, wollten sie Wertheim mit diesen „beiden Personen, Mutter und Kind, lieber erleichtert dann beschwert sehen“. Was heißt: Sie sollen keine Wertheimer Bürger werden. Die Kanzlei scheint sich daran gehalten zu haben, denn nun intervenierten Teuerkaufs Eltern. Sie wiesen darauf hin, dass sie ihren Sohn „in Gottesfurcht zu einer evangelischen Religion“ erzogen hatten. Wenn nun seine Verlobte wegen der Ehe „von ihrer falschen päpstischen Abgötterei williglich zu weichen“ geneigt sei, also zur Konversion bereit, und die Wertheimer sie nicht aufnähmen, dann würden „die Papisten“ sich ins Fäustchen lachen und die Wertheimer verspotten. Die Eltern malen sogar die Gefahr an die Wand, dass ihr Sohn dieser Ehe wegen katholisch werden könnte – eine Schande! Die Sache mit ordentlicher Geburt und Freiheit von Leibeigenschaft sei kein Problem, schreiben sie noch, die Bescheinigungen könne man besorgen. Nutzen tat es nichts. Die Wertheimer Kanzlei wiederholte ihren abschlägigen Bescheid. Man könnte nun folgern: Wenn das Geld nicht reichte, nutzte auch die Drohung mit den Katholiken nichts. Aber vielleicht sprachen auch noch andere Gründe gegen Teuerkauf, von denen wir nichts wissen.
Druck: Fränkische Nachrichten 22.12.2015