Sebastian Friedel besaß ein Haus am Wertheimer Marktplatz, in dem er Farben und Tuche verkaufte. Bei seinem Tod 1607 wurde ein Verzeichnis seines Besitzes angelegt, das einen ebenso wohlhabenden wie gebildeten Mann zeigt. Friedel besaß zahlreiche Bücher. Als gebildeter Mann übernahm er verschiedene Ämter in seiner Heimatstadt. Mehrfach war er Bürgermeister in Wertheim und den Grafen diente er als Steuereinnehmer und als Richter am Hofgericht.

Der Wertheimer Geschichte hat er etwas Besonderes hinterlassen. Friedel machte sich nämlich Aufzeichnungen zu seinen Geschäften und zu besonderen Ereignissen in der Stadt. Solche Dokumente sind in Wertheim eine Rarität.

Natürlich sind es nicht nur schöne Vorkommnisse, die der Bürgermeister in seine Chronik eintrug. Im Januar 1597 etwa hielt er fest, dass er an einem Sonntag nach der Morgenpredigt zusammen mit dem Schultheißen zum Haus von Michael Köhler gerufen worden war. Auf einem Balken von Köhlers Haus hatte jemand mit Kreide geschrieben: „Michael Köler ist ein Schelm und ein Dieb“. Der „Schelm“ war damals eins der schlimmsten Schimpfwörter überhaupt. Die anonyme Beschimpfung musste in der vergangenen Nacht, die sehr dunkel gewesen war („stick finster“ schreibt Friedel), angebracht worden sein. Hausbesitzer Köhler hatte keine Idee, wer es gewesen sein könnte. Sein Junge löschte die Schrift mit einem Schwamm aus. Friedel kommentiert: „Ein gross Schelmenstück“.

Im Jahr 1600 schildert Friedel das Begräbnis der Letzten aus dem Haus der alten Wertheimer Grafen. Die Schwester des letzten Grafen Michael III., die 1531 geborene Barbara, hatte zwar nach auswärts geheiratet, aber sie wollte bei ihren Vorfahren in der Wertheimer Stiftskirche bestattet werden. Es war ein schlichtes Begräbnis ganz ohne Gepränge, sogar ohne Kerzen, wie Friedel notierte. Er wünschte ihr eine fröhliche Auferstehung zum ewigen Leben. Anders hatte er die Grablegung der Gräfin Katharina zu Eberstein (der Witwe Michaels III.) in der Stiftskirche zwei Jahre zuvor erlebt. Der Stadtrat und die Vornehmsten der Zünfte erwarteten die Leiche, die aus Remlingen kam, in Eichel. In Wertheim läuteten alle Glocken, als der Sarg ins heutige Rathaus geführt wurde. Von dort trugen ihn später Adelige in die Stiftskirche. Die Landpfarrer hatten sich ebenfalls eingefunden. Man sang „Mitten wir im Leben sind“, dann bestieg der Superintendent die Kanzel zur Predigt und berichtete aus dem Leben der Gräfin. Nach der Kollekte folgte zum Abschluss wieder Gesang: „Lasst uns den Leib begraben“.

Im Zentrum des Geschehens in Wertheim stand in diesen Jahren um 1600 die Fehde mit dem Würzburger Bischof Julius Echter. Echter hatte Würzburger Lehen der Grafschaft Wertheim eingezogen, wodurch die Grafschaft einen großen Teil ihres Territoriums verlor. Die Fehde hatte eine starke konfessionelle Komponente: Julius Echters Ziel war ein Territorium, in dem ausschließlich Katholiken wohnten. Die Grafschaft Wertheim dagegen war rein evangelisch. In Wertheim hatte Echter einen Verbündeten in Wilhelm von Kriechingen, der wie Löwenstein durch Heirat Erbansprüche an der Grafschaft Wertheim erworben hatte. Kriechingen residierte zeitweilig auf der Burg und verlangte von den Bürgern, ihm zu huldigen. Kriechingen und Löwenstein führten einen erbitterten Kampf um die Grafschaft Wertheim, in den auch die Bürger hineingezogen wurden. Friedel beschreibt, wie er im Jahr 1598 einmal zusammen mit dem Stadtschultheißen und mit Heinrich Hefner von Graf Ludwig zu Löwenstein zum Morgenessen aufs Schloss geladen wurde. Nach dem Essen begab sich der Graf mit seinen bürgerlichen Gästen in eine Stube nahe der Hofstube. Friedel notierte, dass Graf Löwenstein viel redete. Es ging um Religionsfragen: Löwenstein betonte, dass er bei der Augsburgischen Konfession (also evangelisch) bleiben wolle und auch seine Söhne in diesem Sinn erziehe. Aber Kriechingen möchte allerhand Neuerungen einführen und er verlange immer mehr, wenn man ihm einmal nachgebe. Ja, Graf Löwenstein befürchtet, Kriechingen werde „die Religion ändern“, also zum katholischen Glauben zurückkehren wollen. 1599 ist in den Aufzeichnungen des Bürgermeisters gar die Rede davon, die Würzburger wollten in Wertheim eine Kapelle weihen, um „vielleicht die catholische Religion darinnen anzufangen.“

Im Oktober 1600 kam es zu einer weiteren Eskalation im Rahmen der Fehde mit Würzburg. In der Wertheimer Gastwirtschaft „Rose“ waren Bewaffnete aus Würzburg abgestiegen, unter ihnen einer mit dem furchteinflößenden Namen Eisenbeisser. Prompt fing Eisenbeisser Streit an und beleidigte den Wertheimer Stadtamtmann Wolf Christoph Hund zu Wenkheim. Er schmähte und lästerte ihn, nannte ihn gar einen Schelm. Als dies Ludwig zu Löwenstein zu Ohren kam, ließ er alle Stadttore schließen und den Eisenbeisser verhaften. Der Würzburger wurde in den Spitzen Turm geworfen. Ein paar Tage später kam dann die Nachricht aus Dertingen, der Bischof von Würzburg sei mit viel Volk im Anmarsch, um Eisenbeisser zu befreien. Daraufhin wurde die gesamte Bürgerschaft mit ihren Gewehren auf den Marktplatz bestellt, wo sie die ganze Nacht Wache hielten, wie Friedel schreibt. Die Würzburger kamen aber schließlich nicht bis Wertheim, sondern beließen es bei Verwüstungen in den Dertinger Weingärten. Wie es mit Eisenbeisser weiterging, ist nicht bekannt.

Als Friedel 1607 starb, war der Konflikt mit Würzburg noch nicht ausgestanden. Aber die Gebiete, die Julius Echter zurück geholt hatte, gingen der Grafschaft Wertheim endgültig verloren. Da hatte auch das Wachehalten der Bürger auf dem Marktplatz nichts geholfen.

Druck: Fränkische Nachrichten 25.1.2014