Graf Ludwig zu Löwenstein-Wertheim schickte seine Söhne um 1600 zum Studieren nach Straßburg und auf Kavaliersreise nach Paris. Dort sollten sie gesellschaftlichen Schliff bekommen und natürlich Französisch lernen. Der Adel sprach damals Französisch, und manch anderer in Wertheim wollte dies auch können.
1718 lässt sich erstmals ein bürgerlicher Französischlehrer in der Stadt nachweisen. Er hieß Mongeot und war gleichzeitig Tanzmeister – auch etwas, was der Adel können musste. Bei Mongeot nahm die ganze Familie des Wertheimer Juden Stadecker Unterricht, und zwar in beidem: Tanzen und Französisch. Doch nur für zwei Wochen, dann ging man im Streit über die Bezahlung auseinander.
Vom nächsten Wertheimer Französischlehrer haben sich mehr Nachrichten erhalten. Jean Paixach kam 1748 nach Wertheim und blieb in der Stadt bis zu seinem Tod gut zehn Jahre später. Er scheint eine Wertheimerin geheiratet zu haben. 1750 stellte er den Antrag, am Gymnasium Französisch unterrichten zu dürfen. Die Kanzlei überprüfte ihn und hatte keine Bedenken. Paixach durfte „die französische Spreche öffentlich dozieren“, und zwar „denen hierzu Lust bezeigenden Scholaren“ ab der ersten Klasse und „nach der kürzesten Methode“. Als Uhrzeit wurde für die oberen Klassen nachmittags von drei bis vier festgesetzt.
Leider hatte der Chorverwalter Bedenken gegen den Sprachunterricht. Er war nämlich zuständig fürs Heizen in der Kilianskapelle, wo das Gymnasium untergebracht war, und stellte fest, dort werde gegen zwei Uhr das letzte Mal geschürt. Gegen vier holte die Einheizerin dann die Asche ab, um Feuersgefahr zu vermeiden. Im letzten Winter hatten nun Knaben, die nachmittags auf Privatstunden des Rektors warteten, eigenmächtig Holz aus den Böden verbrannt, außerdem waren Schlösser und Öfen ruiniert worden. Der Rektor gab also Privatstunden und der Chorverwalter musste die Schäden übernehmen – so ginge das nicht, fand der Chorverwalter. Er war generell gegen Privatstunden und Nachmittagsunterricht und fügte noch den Hinweis an, der französische Sprachlehrer sei angesichts der Boshaftigkeit der Jugend nicht in der Lage, diese zu bändigen.
Ob dies Paixach trotz der Bedenken gelang und er die kalte Kapelle im Winter durch französische Nasale erwärmte, weiß man nicht. 1757 wurde jedenfalls deutlich, dass die Paixachs in Schwierigkeiten steckten. Ihre beiden kleinen Kinder, ein Bub und ein Mädchen, lungerten nachts in den Gassen herum und mussten von hilfsbereiten Wertheimern durchgefüttert werden. 1760 war Frau Paixach dann Witwe und Wertheim wieder ohne Französischlehrer.
Aus den folgenden Jahrzehnten sind vereinzelte Bewerbungen, darunter die eines ehemaligen preußischen Leutnants, erhalten, aber ob ein regelmäßiger Unterricht stattgefunden hat, ist schwer zu sagen. Das änderte sich erst 1803. Mittlerweile waren erst die Truppen der französischen Revolution und dann die Napoleons im Land gewesen und mit ihnen die Kenntnis des Französischen zum allgemeinen Bedürfnis geworden. So sah es jedenfalls Jacob Schannet, der in den Franzosenjahren als Dolmetscher gearbeitet hatte und nun gegen Besoldung Französisch unterrichten wollte. Damals gab es in Wertheim eine Schulkommission mit dem Auftrag, das Niveau des Unterrichts in der Grafschaft zu heben. Diese Kommission hielt genau wie Schannet Unterricht in der französischen Sprache für „sehr dringend“. Man suchte einen Lehrer für alle Klassen, der „selbst fertig sprechen könne“. Von Schannet hatte die Kommission wenig Kenntnisse, aber auch keine hohe Meinung: Es gebe Stimmen, berichtete sie, die seine Aussprache als „incorrekt“ und seine Grammatik als „nicht fest“ bezeichneten, methodisch sei von ihm nichts zu erwarten und sein „sittlicher Charakter“ der Kommission gänzlich unbekannt. Trotzdem empfahl die Schulkommission die Anstellung Schannets, schließlich war das Bedürfnis dringend und kein besserer in Sicht. Die Regierung fand aber, wenn die Tauglichkeit bezweifelt werde, könne man den Mann schlecht zum Lehrer machen.
Im Jahr darauf war noch niemand eingestellt und die Wertheimer Regierung weiterhin auf der Suche nach einem tauglichem Subjekt, wobei die Suche von der Einsicht gebremst wurde, dass ohne ein fixes Gehalt wenig zu machen sein werde.
So scheint der Französischunterricht erst nach 1806 und dem Übergang an Baden auf solidere Füße gestellt worden zu sein. Aber immerhin: Durch das ganze 18. Jahrhundert lassen sich Spuren des Versuchs finden, die große Kultursprache unseres westlichen Nachbarn auch in Wertheim zum Klingen zu bringen.
Druck: Fränkische Nachrichten 7.4.2010