Tief im Wald hinter Hasloch liegt die Kartause Grünau. Eine Wertheimer Gräfin hatte das Kartäuserkloster gegründet, im Bauernkrieg wurde es von Bauern aus Schollbrunn geplündert, dann setzte die Reformation ihm zu. Nach 1557 sollen die Gebäude leer gestanden haben und die Wertheimer Grafen zogen die Besitzungen an sich. Erst im 17. Jahrhundert gab es wieder Mönche in Grünau.
Dazwischen aber, im Jahr 1571, trug sich in Grünau Unglaubliches zu: Münzfälscher richteten sich hier eine Werkstatt ein.
Atzbach, Lose und Müller hießen die drei, die in der Grünauer Einsamkeit mit Blasebalg und Metallen hantierten, um falsches Geld herzustellen. Bei ihnen wurden Stempel und Bleche, Blei, Zinn und Kupfer gefunden. Lose stammte aus Köln, Müller aus Frankfurt und Atzbach aus der Gegend von Wiesbaden, ein weiteres Mitglied der Gruppe wurde in Marburg verhaftet und verhört. Die Bande war überregional zusammengesetzt. Und auch ihre Bedeutung war überregional. Jedenfalls sah Kaiser Maximilian das so, der eigens einen Kommissar nach Wertheim schickte, um sich auf dem Laufenden zu halten. Münzfälschung war seinerzeit nämlich ein großes Problem. Viele Territorien hatten eigene Münzstätten, manche betrogen beim Edelmetallgehalt und niemand wusste, wie viel die Münzen, die er im Beutel hatte, tatsächlich wert waren. Für die Wirtschaft war das Gift. Das Heilige Römische Reich ließ deshalb regelmäßig Münzen testen und schickte die Ergebnisse über Land, allein es half wenig.
Bei den Verhören, die in Wertheim durchgeführt wurden, stellte sich heraus, dass die Grünauer Münzen über die Juden Lew und Simon in Frankfurt in Verkehr gebracht wurden. Den beiden wurde eine Falle gestellt: Müller bestellte sie nach Kredenbach, wo sie im Wirtshaus festgenommen wurden. Simon und Lew wurden im Spitzen Turm in Wertheim inhaftiert und dort auch verhört. Beide wurden gefoltert. Samson sagte „kläglich“ aus, Lew dagegen blieb „halsstarrig und verstockt“, obwohl er „peinlich gezogen“ und „hart gepeinigt“ wurde. Nach der Carolina, der Gerichtsordnung Kaiser Karls V., stand auf Falschmünzerei die Todesstrafe.
Weitere Namen und Orte kamen ans Licht. Ein Schmied aus Nidda hatte die Stempel gemacht, weiteres Werkzeug stammte von einem Uhrmacher aus Lauterbach. Ein Jude aus Marburg und ein weiterer aus Paderborn sollten ebenfalls beteiligt sein. Albrecht Lose, als Münzmeister der Techniker der Gruppe, gelang die Flucht aus dem Gefängnis in der Wertheimer Burg. Man fahndete nach ihm in der Wetterau und im Vogelsberg, und tatsächlich wurde Lose bald wieder festgenommen und sein Verfahren in Marburg fortgesetzt. Lose gab an, immer geglaubt zu haben, man handele im Auftrag des Grafen Ludwig zu Stolberg-Königstein. In Wertheim tischte Theis Atzbach seinen Richtern unterdessen eine richtige Räuberpistole auf: Nachdem im Taunus Falschmünzen kursierten, behauptete er, war er im Auftrag des Grafen von Stolberg-Königstein unterwegs, um diejenigen zu überführen, die das falsche Geld in Umlauf brachten. Damit waren die Juden gemeint. Graf Ludwig persönlich, so Theis, hatte ihm hierfür das abgelegene und „desolate“ Kloster Grünau vorgeschlagen. Ausgeschlossen ist das nicht, denn Ludwig von Stolberg-Königstein war nach dem Aussterben der alten Grafen von Wertheim in diesen Jahren Inhaber der Grafschaft Wertheim und dürfte durchaus Kenntnis von der alten Kartause gehabt haben. Tatsächlich wurden die Grünauer Falschmünzer vom Wertheimer Jäger Hans Bender unterstützt, und auch Amtmann Koch wusste von ihrer Anwesenheit.
Wie so häufig ist es schwer zu sagen, wie es nun eigentlich gewesen ist. Versuchte Atzbach, auf Kosten der Juden seine Haut zu retten? Hatte Atzbach den Grafen Ludwig hereingelegt, indem er entgegen einer Absprache quasi auf eigene Faust Falschgeld herstellte? Oder hatte etwa der Graf selbst Grünau nutzen wollen, um dort schlechtes Geld herzustellen, wie es offenbar Lose annahm? Alles scheint möglich. Wir wissen auch nicht, wie die Sache für die Beteiligten ausging, weil Urteile nicht überliefert sind. Aber es bleibt eine unerhörte Geschichte, wie damals eine Falschmünzerbande vom beschaulichen Grünau aus den Frankfurter Markt belieferte.
Druck: Fränkische Nachrichten 24.4.2010