Am 31. Mai des Jahres 1802 wurde der Sachsenhäuser Schultheiß Johann Garrecht zu einer vierzehntägigen Gefängnisstrafe verurteilt. Der Anlass war brisant: Garrecht hatte sich geweigert, Steuern zu bezahlen. Genauer gesagt: Sondersteuern zur Bezahlung der Wertheimer Kriegsschulden. Ein Schultheiß, der Steuern nicht zahlte – das war natürlich ein Alptraum für die Regierung. Was sollte werden, wenn das Schule machte? Die Untertanen der Grafschaft Wertheim ein Haufen von Steuerrebellen, und die Regierung müsste die Schulden womöglich selber zahlen – undenkbar. Deshalb wurde Garrecht verurteilt. Er hatte durch seine Weigerung den „schuldigen Gehorsam hartnäckig verweigert“ und „übernommene Pflichten ... gröblich verletzt“, wie die Regierung schrieb.
Wogegen machte der Schultheiß Front? 1802 war in der Grafschaft Wertheim eine „Landesschuldentilgungskasse“ zur Abtragung der Kriegsschulden eingerichtet worden. Diese Schulden waren in den (letztlich vergeblichen) Kriegen des Heiligen Römischen Reiches gegen die Franzosen entstanden, in deren Rahmen die Franzosen 1796 und 1800 auch Wertheim besetzt hatten. Wobei diese Besetzung an sich gar nicht das Problem war, denn teuer war der Krieg allemal, ob man nun an Freund oder Feind zu zahlen hatte. So lagen die Kriegskosten in der Grafschaft Wertheim im Jahr 1795, als man für die kaiserliche Armee (also die eigenen Leute) zahlte, bei astronomischen 68250 Gulden. In der Stadt Wertheim waren in diesem Sommer etwa 270 Soldaten samt Pferden einquartiert, in den Dörfern der Grafschaft 276 Mann mit 182 Pferden. Die wollten alle ernährt werden und saufen und Sold beziehen, wozu noch ständige Kriegssteuern kamen.
Nach der kurzfristigen Besetzung durch die Franzosen im Sommer 1796 entstanden große Debatten, wer die Kosten tragen sollte. 1797 richtete man hierfür eine besondere Kasse ein. So desolat war die Lage, dass Schulden bei Privatleuten gemacht werden mussten, damit Geld in dieser Kasse war. 600 Gulden kamen vom Kammerrat Eichhorn, 1000 Gulden von Kammersekretär Firnhaber, die Witwe des Spitalmeisters Heckmann stellte 600 Gulden, der Pfarrer von Niklashausen Nikolaus Stecherwald 1500 Gulden. Die Verzinsung lag bei 6 Prozent.
Mit den Kriegsjahren entstand eine gewaltige Schuldenlast. Die Wertheimer Regierungen hatten hierzu im März 1802 festgestellt, dass diese Schulden zur Rettung des Vaterlandes gemacht worden seien und nun „mit möglichster Schonung und Gleichheit wieder getilgt werden“ müssten. Deshalb die Landesschuldentilgungskasse. Wo aber das Geld hernehmen? Die Lösung hieß damals wie heute: Steuererhöhungen. Zur Abwendung dieses Ruins sollten die Steuern auf Brot, Fleisch und Wein erhöht werden. Beim Wein war eine Verdoppelung der Steuer auf 5/4 Pfennig je Maß Wein vorgesehen, wobei die Maß zwischen 20 Kreuzer und einem Gulden kostete. Diese Steuer sei „eine wahre Kleinigkeit“, meinte die Regierung. Vergleicht man den Prozentsatz mit heute üblichen, wird man ihr Recht geben müssen: der Gulden wurde zu 60 Kreuzer gerechnet, während 4 Pfennig ein Kreuzer waren. Damit ergibt sich bei einer Maß zu 20 Kreuzer = 80 Pfennig mit 5/4 Pfennig ein Steuersatz von gut 1,5 %, bei einer Maß zu einem Gulden (= 240 Pfennig) sogar nur 0,5 %. Mit solchen Größenordnungen konnte man damals Staatsfinanzen sanieren. Dazu gab es eine Abgabe von einem Prozent auf Immobilien-Geschäfte und eine von zwei bzw. 5 Prozent auf „Collateral-Erbschaften“. Die Regierung war von diesen ihren Steuererhöhungsplänen regelrecht begeistert und lobte „Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit der ganzen Einrichtung“.
Nur der Sachsenhäuser Schultheiß und einige weitere Sachsenhäuser teilten diese Begeisterung nicht und wollten nicht zahlen. Die Wertheimer Regierung sah darin wohl eine echte Gefahr, erwirkte sie doch extra beim Kaiserhof in Wien ein Mandat, in dem die Wertheimer Untertanen auf ihre Pflichten hingewiesen wurden, unter besonderer Beachtung der Pflicht zur Tilgung der Landesschulden. Den Schultheißen kratzte das wenig, in dem späteren Urteil gegen ihn war dann die Rede von „schnöder Verachtung der Allerhöchsten Kaiserlichen so nachdrücklichen Befehle“. Ob die Gefängnisstrafe ihn zur Räson brachte, ist leider nicht bekannt.
Dagegen weiß man, dass die Landesschuldentilgungskasse ab 1802 für lange Jahre ihre Sondersteuern erhob. Quartal für Quartal zahlten vor allem die Wirte die doppelte Weinsteuer. Auch als die Grafschaft 1806 staatsrechtlich gesehen an ihr Ende kam und aufgehoben wurde, lief die Steuer weiter. Das Land war weg, die Landesschuldentilgungskasse aber blieb. 1807 kam sogar noch eine weitere Steuer hinzu: Das Land Baden, zu dem die Grafschaft nun überwiegend gehörte, erhob nun eine Extrakriegssteuer.
Druck : Fränkische Nachrichten 29.7.2010