Höhere Bildung war noch nie umsonst zu haben. Das stellte auch der Wertheimer Hans Konrad Schaff vor mehr als vierhundert Jahren fest, als er in Heidelberg die Universität bezog. Im März 1588 schrieb er nach Wertheim: "Die Universität betreffend ist es ziemlich schwer, denn ich muss alle Wochen 8 Batzen für den bloßen Tisch ohne den Wein zahlen in der Burs, und ist der Wein in sonderlichem hohen Wert hieniden.“ Aber nicht nur der Tisch (also das Essen) und der Wein gingen ins Geld. Auch Wohnen musste der Student, was ihn zehn Gulden für Stube und Kammer kostete. Dazu kamen noch anderthalb Gulden aufs Jahr fürs Wäschewaschen. Heizen und Licht konnte Schaff noch gar nicht abschätzen, von Schuhen und Büchern ganz zu schweigen. Wir haben hier eine schöne Aufzählung der Bedürfnisse eines Studenten in dieser Zeit vor uns. Ganz oben auf der Liste stehen das Essen und der Wein, ganz unten kommen die Bücher. Was werden die Adressaten dieser Briefe in Wertheim gedacht haben?
Vermutlich hatten sie selbst studiert und wunderten sich also kaum. Die Briefe des Schaff gingen an Rentmeister Reinhard und Chorverwalter Kötzner, die das Vermögen des 1587 verstorbenen Rentmeisters Hans Kallenbach betreuten, aus dem auch Schaff bezahlt wurde. Der 1568 geborene Hans Konrad Schaff war nämlich ein Sohn des Wertheimer Schultheißen Schaff, dessen Witwe dann den Rentmeister Kallenbach geheiratet hatte. Kallenbach hat in Wertheim Bleibendes hinterlassen: Er errichtete das Gebäude, in dem sich heute das Glasmuseum befindet.
Es waren nicht Essen und Trinken allein, die das Studium des Schaff in Heidelberg kostspielig machten. Er konnte den Testamentsvollstreckern seines Stiefvaters einen guten Grund für seinen Geldbedarf melden. Einen besonderen Grund, den sie aus moralischen Gründen kaum ignorieren konnten. Hans Konrad Schaff war nämlich krank. Ein Leiden am Bein plagte den Studenten, ein Leiden mit den Schenkeln.
Im April schreibt er darüber aus Heidelberg, das Leiden mit den Schenkeln werde „von Tag zu Tag je länger je ärger“. Die Schenkel sind schwer und dick und so eitrig, dass es durch die Strümpfe rinnt. Es frisst sich weiter, ist nicht mehr nur am Unterschenkel, sondern nun auch am Oberschenkel. Schaff fürchtet, das Übel könne einst den ganzen Leib einnehmen, und wenn die Schenkel erst mal weg sind, werde er auf Stelzen umherziehen müssen. Das muss verhindert werden, und so begibt er sich im Sommer in Kur. Die zieht sich länger hin als gedacht, Schaff muss gewissermaßen Verlängerung beantragen, aber es dient ja einem guten Zweck, nämlich der Wiederherstellung seiner Gesundheit. Und die Kur ist schließlich erfolgreich: Im August meldet Schaff nach Wertheim, er sei „durch göttliche Gnade ganz rein und sauber, ja neue Schenkel widerumb bekommen.“ Leider schuldet er dem Wirt des Kurortes noch 13 Gulden, die nun von Wertheim aus beglichen werden sollen. Ansonsten ist im August in Heidelberg wenig los: „sonsten ist es gar still hie“.
Still war es in Heidelberg, und das bringt uns auf die Frage, wo die Söhne der Grafschaft Wertheim in diesen Jahren eigentlich studierten. Denn für eine eigene Universität war die Grafschaft zu klein. Heidelberg, Residenzstadt der calvinistisch-reformierten Kurpfalz, war nicht nur für Schaff attraktiv: Die Matrikel der Universität verzeichnet zwischen 1580 und 1602 15 Studenten aus Wertheim. Nach Jena gingen 44 Wertheimer in den Jahren 1548-1652, nach Leipzig 15 (Zeitraum 1559-1634). Die Matrikel der Nürnberger Universität in Altdorf verzeichnet von 1595 bis 1808 über 40 Studenten aus Wertheim. Zahlreich waren Wertheimer mit 42 Studenten in den Jahren 1502 bis 1602 auch in Wittenberg vertreten, dem zentralen Ort der Reformation. Mancher spätere Grafschaftspfarrer erhielt hier seine Ausbildung.
Die Mobilität war erstaunlich, von Straßburg bis Königsberg trifft man in den Vorlesungen Wertheimer an. Zur Mobilität trug bei, dass die Studenten damals häufig die Universität wechselten. Ein oder zwei Semester hier und dann den Ort gewechselt, das war völlig normal. Auch Konrad Schaff hatte es so gemacht. Er war in Wittenberg gewesen, wovon noch ein Schuldschein kündet, den er 1587 Martin Pfefferkorn ausstellte, dem „Weinschenken auf dem Collegio“.
Welches Fach studierte Schaff eigentlich neben dem Weintrinken? Es scheint Jura gewesen zu sein mit dem Berufsziel Schreiber, also Mitarbeiter in einer Kanzlei. Im Herbst 1588 erreichte ihn in Heidelberg ein Schreiben seiner Wertheimer Finanzverwalter mit schlechten Nachrichten. Die Vormünder schrieben, es habe sich nach Abhörung der Rechnungen des verstorbenen Vaters leider ein großer Rest zu Gunsten der Herrschaft ergeben, außerdem hatte ein Vetter namens Conrad Kallenbach dieser Tage viel Geld aus der Erbschaft mitgenommen. Schaff schrieb zurück, dieser Brief habe ihn „nit wenig erschrecket“. Er will sich seiner Studien noch mehr befleißigen und sich um eine bessere und geschwindere Handschrift bemühen.
Wohin das alles führte, ist nicht bekannt. Die letzten Nachrichten über Hans Konrad Schaff stammen aus dem Jahr 1589, als in Heidelberg Kostgeld, Apothekenrechnungen und ein Schneider bezahlt wurden. Mit Geld aus Wertheim, wie sich versteht.
Druck: Fränkische Nachrichten 22.01.2011