Kirchen machen Kosten, das war auch früher schon so. Die größten Posten sind der Bauunterhalt und die Personalkosten für den Pfarrer. Beide wurden in den Zeiten der Grafschaft Wertheim vom Patronatsherren, also den Grafen von Wertheim, dann Löwenstein-Wertheim bezahlt. Daneben fielen aber noch weitere Kosten an, sozusagen für den laufenden Betrieb der Gotteshäuser. Über diese Ausgaben führten seit dem 16. Jahrhundert die örtlichen „Gotteshausmeister“ Buch, in Sachsenhausen und Kreuzwertheim beginnt diese Überlieferung sogar schon vor der Reformation. Einmal im Jahr wurde abgerechnet. Werfen wir einen Blick in die „Gotteshausrechnung“ von Waldenhausen aus dem Jahr 1582. Damals wurden fällig 18 Pfennig für den Schmied, der den Glockenschwengel richten musste. Zehn Pfennig für Seife, um den Chorrock des Priesters zu waschen, und 3 ½ Turnosen, um den Rock „zu falten“ (ob damals schon gebügelt wurde?). Für zwei Gulden wurden Stühle und Bänke im Auftrag des Pfarrers errichtet. 12 Turnosen waren für Messwein, 16 Pfennig für Hostien fällig. Weitere Ausgaben mussten für Nägel, einen juristischen Vertrag, das Eintreiben der Zinsen und den Lohn des Gotteshausmeisters getätigt werden. Alles Ausgaben im Rahmen des Üblichen. Im Jahr darauf verzeichnete die Waldenhäuser Rechnung wieder Glockenreparaturen, Nägel im Kirchtor, Hostien sowie einen Grabstein in der Kirche. An hohen Festen war immer „ein Seitla Weins“ fällig. Kosten für Glocken stehen im 16. Jahrhundert überall in den Büchern. Das Geläute der Kirchen dürfte damals mit Abstand das lauteste vom Menschen gemachte Geräusch gewesen sein.
Andere Klänge dagegen wird es in den Kirchen auf dem Land kaum gegeben haben, denn Orgeln scheint es nicht gegeben zu haben. Jedenfalls werden keine Kosten festgehalten. Eine Orgel gab es nur in Wertheim in der Stiftskirche, der zentralen Kirche der Grafschaft (diese allerdings bereits im ausgehenden 15. Jahrhundert, während der Würzburger Dom 1505 noch ohne auskommen musste). Der Klang dieser Orgel in der Stadt muss für die Leute vom Land sehr eindrucksvoll gewesen sein. Eine weitere Orgel lässt sich für das 18. Jahrhundert in Remlingen nachweisen, wo die Löwenstein-Wertheimer gemeinsam mit den Castell regierten und auch das katholische Würzburg Rechte und Untertanen hatte. Ob die Konkurrenz zwischen diesen Herren sie zu vermehrten kulturellen Anstrengungen trieb? Jedenfalls stand in der Remlinger evangelischen Kirche eine Orgel, die natürlich dauernd gestimmt werden musste. Das bedeutete: Kosten. 1730 rissen die Orgelbälge, 40 Kreuzer waren für die Reparatur fällig. Die Bälge sorgten damals für den Luftstrom, den die Orgelpfeifen zur Tonerzeugung brauchen, und brauchten ihrerseits jemanden, der sie bediente, der also durch Ziehen oder Treten des Balgs die Luft in Bewegung hielt. Auch dies musste bezahlt werden. Schließlich führte im selben Jahr der Orgelbauer Bartholomäus Brüner aus Würzburg eine größere Reparatur an der Orgel durch, für die 12 Gulden fällig wurden. Aber die Remlinger Kirchenmusik bestand nicht nur aus der Orgel. Sogar ein Cantor steht in den Rechnungen, Verhältnisse fast schon wie in den Residenzstädten Wertheim und Würzburg. Und dieser Cantor besorgte 1729 in Wertheim neue Saiten für die Remlinger „Kirchgeigen“ – man hatte sogar eigene Streicher.
Aber dieser Zustand war, wie gesagt, die Ausnahme. Die Gotteshausrechnung von Reicholzheim weiß 1527 nichts von Musik, dafür hatte man offenbar eine Uhr, denn Kosten für „ein Strang zu den Horalogi“ waren angefallen. Sachsenhausen meldete 1528 Kosten für „Sand“, den man in die Kirche getan habe. Das dürfte ein Hinweis auf den Boden sein. In Nassig nahm man dafür auch Stroh. Sachsenhausen hat noch eine andere Besonderheit vorzuweisen: Der Pfarrer hatte ein Bad. Bereits 1558 erscheint ein „Badstüble“ in der Rechnung, zehn Jahre später musste renoviert werden und Ausgaben für Fenster, Dielen und Kessel der Badestube wurden festgehalten.
Übrigens bieten diese Rechnungen gerade für die Jahre der Reformation in Wertheim interessante Erkenntnisse, über die ja „immer noch verhältnismäßig wenig ... im einzelnen bekannt ist“, wie Erich Langguth 2005 angemerkt hat. Es gibt nämlich typisch „katholische“ Kosten, die in einer protestantischen Liturgie nicht anfallen sollten. Dort gibt es weder Weihrauch noch Chrisam, das vom Bischof geweihte Öl. Insbesondere das Chrisam verursachte Kosten, weil hier auch noch der Transport aus der Bischofsstadt zu bezahlen war. In Sachsenhausen stehen nun Weihrauch und Chrisam bis einschließlich 1523 Jahr für Jahr in der Rechnung. Danach nicht mehr. Ein hübsches Indiz zumindest dafür, dass sich im Gottesdienst etwas geändert hat. Es lässt sich allerdings aufgrund der Kirchenrechnungen kein eindeutiges Stichjahr angeben, nach dem alle Landpfarreien der Grafschaft Wertheim den Gottesdienst in der neuen Gestalt gefeiert hätten. Als 1527 der Wertheimer Beamte Wilhelm Arnsberger über Land fuhr und mit den Kirchenmeistern deren Rechnungen erstellte, war in Hasloch und Nassig Chrisam und Weihrauch eingekauft worden wie eh und je.
Druck: Fränkische Nachrichten 30.11.2011