Die so genannte „Bettlade“, das Grabdenkmal des Grafen Ludwig zu Löwenstein und seiner Frau Anna, ist der Blickfang im Chor der Wertheimer Stiftskirche. Graf Ludwigs Tod im Jahr 1611 liegt in diesem Jahr genau 400 Jahre zurück. In Ludwigs Leben war vieles zusammengekommen, was damals einen erfolgreichen Regenten ausmachte. Bereits als junger Mann hatte er, obwohl Protestant, hohe Positionen am Kaiserhof und in habsburgischen Diensten erreicht. Im Jahr 1566 heiratete Ludwig die Stolberg-Wertheimer Erbtochter Anna, und nach der Hochzeit lebte er mit 45 Jahren noch eine ungewöhnliche lange Zeitspanne. Das lange Leben war entscheidend: So konnte es dem Löwensteiner gelingen, seine Konkurrenten um die Grafschaft Wertheim (die Männer der Schwestern seiner Frau) aus dem Felde zu schlagen. Nach dem Tod des Stolbergers im Jahr 1574 regierte man gemeinsam, aber in den kommenden Jahrzehnten sanken die Mitbewerber einer nach dem anderen ohne Nachkommen ins Grab. Übrig blieb der Löwensteiner, und dass er vier Söhne hatte, die das Erwachsenenalter erreichten, machte das Glück perfekt und die Gründung der neuen Dynastie möglich. Durch Ludwig kamen die Löwensteiner nach Wertheim.
Das sollte sich nun natürlich auch im Grabdenkmal zeigen, das Ludwig noch selbst geplant haben dürfte (seine Frau war mehr als zehn Jahre vor ihm gestorben). Es besteht nicht nur aus der „Lade“, also dem „Bettgestell“ mit den Sarkophagen, sondern darüber erhebt sich auf wuchtigen Säulen noch ein steinerner Himmel, ein Baldachin. Auf dem Gestell lagern bis heute der Graf und seine Frau als lebensgroße Figuren. Graf Ludwig mit wenig Haaren aber feinem Vollbart, in Ritterrüstung und Schwert, Anna mit aufwändiger Frisur und der Bibel in den Händen. In dieser würdigen Haltung haben die beiden bis heute alle Wendungen der Wertheimer Geschichte überstanden.
Judith Wipfler hat in ihrer Analyse der Grabdenkmäler im Wertheimer Jahrbuch 1996 darauf hingewiesen, dass der Löwensteiner (bzw. seine Söhne) sein Grab genau an die Stelle setzen ließ, an der zuvor das Denkmal des Kirchenstifters Graf Johann I. von Wertheim gestanden hatte. Das war eine klare Botschaft: Die (alten) Grafen von Wertheim waren ausgestorben und an ihre Stelle waren nun die Löwensteiner getreten.
Drei Jahre nach dem Tod Ludwigs schlossen seine Söhne einen Vertrag mit dem Bildhauer Michael Kern über das Grabdenkmal. Kern war in Franken ein bekannter Mann. Die Stadt Würzburg hatte ihn zum Ratsbildhauer ernannt, er hatte neben vielem anderem die Kanzel im Dom gemacht, an Neubaukirche und Festungskirche gearbeitet, später gingen Portal und Altar der Wallfahrtskirche Dettelbach auf sein Konto.
Meister Kern stammte aus Forchtenberg, und hier stand auch seine Werkstatt. In Forchtenberg arbeitete Kern an dem Grabdenkmal für den Grafen Ludwig. Damit erhob sich ein Problem: Das Denkmal (oder seine Teile) musste irgendwie vom Kocher an die Tauber transportiert werden.
Im November 1615 schrieb Kern an den Wertheimer Rentmeister und teilte ihm mit, dass schon ein guter Teil des „gräflichen Monuments“ fertiggestellt sei. Er will die Sachen nun raus haben, weil der Platz in seiner Werkstatt knapp ist. Deswegen bittet er den Rentmeister, drei oder vier Wagen zu schicken, um die Teile des Denkmals abzuholen. Außerdem schlägt Kern vor, der Rentmeister solle doch persönlich mitkommen. Dann wisse er beim nächsten Mal, wie so ein Transport funktioniere. Das Grabdenkmal wird also in mehreren Teilen seinen Weg nach Wertheim angetreten haben. Wie muss man sich den Transport vorstellen? Der Rentmeister soll Leiterwagen schicken, wie man sie für den Transport von Brennholz verwendet, und Unterlagen oder Flechten darauf legen. Außerdem sollen auf jedem Wagen zehn Büschel Stroh „zum Einpacken“ liegen. Neben der Kunst dachte der Bildhauer auch an seine Bezahlung. Mohr soll ihm sein Korn schicken, aber bitte besseres als beim letzten Mal. Da war das Wertheimer Korn nämlich so hart gewesen, dass er es nicht verspeisen konnte. Gezeichnet Michael Kern, Bildhauer.
Im Dezember waren die Wagen aus Wertheim noch nicht angekommen. Kern machte sich Sorgen, weil er bald nach Würzburg musste. Was aber soll mit dem Transport passieren, wenn er abwesend ist? Besonders das „Aufladen und Einpacken“ findet Kern bedenklich. Der Rentmeister soll daher möglichst flott mindestens eine Fuhre, besser zwei oder drei Wagen schicken, „wollte ich das fürnemste Bildwerk und was geschmeidig ist darauf laden“. Und wieder dachte der Künstler auch an seine Bezahlung: Der Rentmeister soll ihm sein Korn schicken, weil „ich solches jetzt nottürftig“.
Trotzdem wartete er vergeblich auf die Wagen aus Wertheim. Im März des folgenden Jahres mahnte er den Rentmeister erneut wegen der „besagten Fuhr“. Die Aussaat von Hafer ist vorbei (will sagen: die Frondienstleistenden, die die Fuhre übernehmen mussten, haben Zeit), die Tage sind wieder länger. Deswegen soll der Rentmeister unbedingt in der kommenden Woche jemanden schicken. Denn: Kern hat „der Sachen viel beisammen“, außerdem muss er in Kürze verreisen, und dann wird es wieder nichts werden. Wieder ist die Rede von Leiterwagen, von Flechten und Stroh zum Polstern und Verpacken. Kunst ist eben nicht nur schön, sondern macht auch viel Arbeit.
Die Fertigstellung der Bettlade blieb mühsam. Noch 1617 klagte Kern darüber, die Arbeit nicht beenden zu können, weil ihm Anweisungen aus Wertheim fehlten. Am Ende aber hat es dann doch geklappt und das stattliche Grabdenkmal des Grafen Ludwig zu Löwenstein und seiner Frau steht bis heute vollständig in der Stiftskirche.
Druck: Fränkische Nachrichten 11.11.2011