Aus der Zeit der Gräfin Barbara, die nach 1531 mehr als 20 Jahre die Grafschaft für ihren unmündigen Sohn regierte, hat sich eine Baurechnung erhalten. Die hier abgerechneten Arbeiten geben uns Hinweise, wie das Leben der Menschen auf der Burg aussah.

Man konnte heizen, denn der "Schlot“ in der Stube der Gräfin Barbara wird getüncht und vier Eisenplatten für die Öfen in den vier oberen Stuben werden abgerechnet. Sicher waren nicht alle Räume heizbar, aber immerhin. Man hatte Glas in den Fenstern. Die Ausgaben für die Glaser umfassen mehr als zwei Seiten in der Rechnung, zahlreiche "Scheiben" werden abgerechnet. In die Gewölbekammer über der Küche kommen sogar Scheiben mit besonderem "Wald-Glas" und die "Fenster in der unteren Stuben" werden geflickt. Große Summen müssen für Fensterblei ausgegeben werden, das man aus Nürnberg bezog. Für die Innenausstattung wurden besondere Hölzer benutzt. Lindenholz für die Türen, auch Nuss und Pflaume finden Verwendung, besondere "Dinkelsbühler Dielen" werden erworben und Schwarzholz "in der obern hindern Stuben zum Furnieren gebraucht". Feine Holzarbeiten scheint es da auf der Burg gegeben zu haben. Zum Ende des Jahrhunderts lassen sich einmal sogar Wandteppiche nachweisen ("tappereyen"), die Ludwig zu Löwenstein geschenkt wurden. Hauptmotiv auf den Teppichen: Vögel. Fast 100 Jahre später stehen ein "Düncher" und weiße Farbe in der Rechnung. Damit wurde die "große Hofstuben ... aufgeweißt", weiß gestrichen also.

Diese Hinweise verdanken sich allerdings nur zufälligen Funden, genauere Untersuchungen etwa zu den Einkäufen der Grafen auf den Frankfurter Messen fehlen bislang. So kann man zur Innenausstattung der Burg nicht wirklich viel sagen. Dafür flickt in diesem Jahr (1625) ein Ofensetzer die Öfen unter anderem in Hofstube, Schneiderei und "Badstube". Man hat den Eindruck, dass nun die allermeisten Zimmer und Stuben beheizbar waren, und man hat einen Hinweis darauf, dass die Grafen und Gräfinnen nun auch ein Badezimmer nutzten. Die "Hofstube" war übrigens so etwas wie der Saal der Burg, das Renommierzimmer, die gute Stube. Und nun folgt eine kleine Sensation in der Geschichte der Wertheimer Burg. Aus den Rechnungen geht nämlich hervor, dass Graf Wolfgang Ernst im Jahr 1624 in der Hofstube eine eigene Orgel einbauen ließ. Dafür engagierte er den renommierten Orgelbauer Lorenz Ettlin aus Esslingen für 52 Reichstaler, und im Jahr darauf verzierte Philipp Oberle aus Wertheim das neue Orgelwerk mit Malereien. Eine eigene kleine Orgel also auf der Burg, eine eigene Hofmusik. Nur leider wissen wir nicht, wer sie spielte und welche Musik dann erklang.

Etwas genauere Informationen gibt es für die Baumaßnahmen. Im Jahr der erwähnten Baurechnung (1548/49) errichteten Zimmerleute Gerüste auf der Burg, damit Maurer und Steinmetze ihrer Arbeit nachgehen konnten. Ein Steinmetz namens Georg war regelmäßig beschäftigt, mit bis zu fünf Gesellen und einem Lehrjungen bildete er eine beachtliche Truppe. Die Burg war vermutlich auch eine Art Dauerbaustelle, für die Bewohner eine lästige Sache. Die verarbeiteten Steine kamen aus Steinbrüchen in Eichel und im "Bronnbacher Holz". Die Steine wurden häufig auch erst in der Burg bearbeitet, "geklopft" heißt es in der Quelle. Man kann sich den Lärm vorstellen.

Es war wohl immer eine größere Gruppe von Menschen, die da auf der Burg zusammenlebte. Bereits im 14. Jahrhundert sprechen Urkunden von adeligen und nichtadeligen Bewohnern, von Burgbewohnern und Gesinde der Herrschaft. Ein Geistlicher war auch dabei. Selbstverständlich hatte die Burg eine eigene Kapelle, die von einem Burgkaplan versehen wurde. Graf Ludwig zu Stolberg ordnete an, dass jedermann auf der Burg um halb neun Gottes Wort hören sollte. Das war in den Jahren um 1560, als der Stolberger die Grafschaft regierte, und Sittenzucht und Ordnung nach der Reformation eine große Rolle spielten. Wer sich nicht daran hielt, der musste gehen: „Den wußten wir letztlich als einen Diener nit lenger zu behalten“, heißt es in der Hofordnung des Stolbergers. Ob derartige Anordnungen wirklich etwas bewirkten, steht auf einem anderen Blatt. Eine andere Anordnung gibt Hinweise, wie es auf der Burg zuging. Dem Grafen war nämlich zu Ohren gekommen, schreibt er, dass sein Hofgesinde flucht, schwört und sogar unzüchtige und schandbare Worte gebraucht. Dies ist gegen die Ordnung Gottes und darf nicht stattfinden. Auch hier gilt: Wer weiterflucht auf der Burg, fliegt raus. Der Graf verlangt entschieden, dass das ewige Gezänk auf der Burg aufhöre und jedermann den Frieden wahre. Wer einem anderen eine blutende Wunde zufügt, dem soll der linke Fuß und die rechte Hand abgehauen werden.

Die Hofordnung regelte den Tagesablauf auf der Burg. Morgens um sieben wurde die Wächterglocke geläutet, dann trafen sich alle zum Frühstück, einer Suppe. Das sollte nicht länger als eine halbe Stunde dauern, danach hatte ein jeder an seine Arbeit zu gehen. Um halb neun stand der bereits erwähnte Gottesdienst auf der Tagesordnung der Burg. Im Sommer folgte um neun Uhr die Mittagsmahlzeit. Vorgesehen war ein "Adelstisch", an dem auch „ansehnliche Fremde“ und Beamte sitzen durften, ein Jungfrauentisch und ein Knechte- oder Bubentisch. Waren zu wenig Herren anwesend, durften die Jungfrauen auch an den Herrentisch. Die Qualität der Mahlzeit richtete sich natürlich nach dem Status, sah also am Tisch der Knechte anders aus als bei den Herren. Auf dem Herrentisch stand Rindfleisch, am Gesindetisch musste Hammel reichen. An Getränken hatte der Stolberger am Knechtetisch drei Maß Wein bei 12 Personen vorgesehen plus Bier nach Bedarf. Die Abendmahlzeit war in der gleichen Form für 16 Uhr vorgesehen (im Winter um 17 Uhr). Zu den Mahlzeiten versammelten sich alle auf der Burg Anwesenden zum gemeinsamen Essen. Aus heutiger Sicht eine gute Maßnahme zur Erzeugung eines Identitätsgefühls: Wir auf der Burg Wertheim.

Druck: Fränkische Nachrichten 06.02.2012