In diesem Jahr feiert Nassig 800 Jahre Ersterwähnung. Wir wollen deshalb heute einen Blick in die Nassiger Geschichte werfen. Wenn die Wertheimer Grafen seinerzeit ein Ranking der Orte ihrer Grafschaft erstellt hätten, wie hätte Nassig abgeschnitten?

Nun hängt ein solches Ranking immer davon ab, was man vergleicht. Im letzten Jahr, als Vockenrot sein 800. Jubiläum feierte, hatten wir feststellen können, dass Vockenrot bei der Zahl der Schafe und Hammel im Dorf ziemlich weit vorne lag. Dies war allerdings kein Wunder, weil die Grafen von Wertheim hier eine Schäferei unterhielten, und Vockenrot daher bei dieser Kennziffer einen besonderen Vorteil gegenüber den anderen Orten hatte.

Schafe und Hammel sind aber nicht alles. Ein anderes Kriterium ist der Weinverbrauch, der ja in früheren Zeiten in der Grafschaft gewaltig war. Hier lag Nassig im dritten Quartal des Jahres 1588 gleichauf mit Urphar. In beiden Orten wurden je 2 1/2 Eimer Wein (der Eimer zu etwa 75 Liter) getrunken, während auf der Spessartseite der Grafschaft Michelrieth auf 2 Eimer und Altfeld auf 1 1/2 Eimer kamen. Im 4. Quartal wurden in Nassig 2 Eimer, also etwa 150 Liter, getrunken, womit man vor Höhefeld und Eichel (je 1 1/2 Eimer) lag, aber weit unter den 6 Eimern von Reicholzheim. Gutes Mittelfeld für Nassig also beim Weinverbrauch. Die insgesamt bemerkenswert niedrigen Zahlen dürften darauf zurückzuführen sein, dass hier die Angaben aus der offiziellen Weinsteuer wiedergegeben werden. Nicht gemeldeter Wein ist also nicht enthalten.

Anders als beim Weinverbrauch sind Zweifel bei den Zahlen der am Sonntag im Gottesdienst ausgegebenen Hostien fehl am Platz. Mit 6000 Hostien lag die Stadt Wertheim im Jahr 1591 weit vorne. Lengfurt kam auf 1200, gefolgt von 700 in Marktheidenfeld. Reicholzheim und Michelrieth erreichten 500 Hostien, wobei man bedenken muss, dass zur Pfarrei Michelrieth noch weitere Spessartorte gehörten. Den nächsten Platz mit 400 Hostien teilten sich Nassig und Kreuzwertheim, die damit bereits mit einigem Abstand vor Höhefeld und Helmstadt (je 250) lagen. Noch weiter hinten: Bettingen und Dörlesberg mit je 200 Hostien. Eine ähnliche Rangordnung ergibt sich aus dem Verbrauch von Kommunionwein, der für das Jahr 1616/1617 überliefert ist. Spitzenreiter hier die Spessartgemeinden um Michelrieth mit zusammen 17 Maß, gefolgt von Reicholzheim mit 12 Maß, dahinter Kreuzwertheim (8 1/2 Maß), Urphar (8 Maß) und Hasloch (7 Maß). Die Angabe für Nassig ist schwierig zu deuten, könnte aber leicht höher als bei Reicholzheim liegen.

Beim Verbrauch von Hostien und Kommunionwein erreichte Nassig unter den Grafschaftsorten also Platzierungen im oberen Mittelfeld. Noch besser sieht es bei den Einwohnerzahlen aus. 1677 hatte die Grafschaft 50 männliche Leibeigene in Nassig. Diese Zahl wurde nur von Dertingen mit 72 übertroffen, Höhefeld kam auf 43, Kreuzwertheim auf 25 und Urphar auf 34. In Vockenrot gab es damals nur fünf männliche Leibeigene, dazu kamen aber noch drei Witwen. Platz zwei für Nassig also nach den Leibeigenenzahlen. Fünfzig Jahre später ergibt sich eine ähnliche Reihenfolge bei deutlich erhöhten Zahlen. Die Reihenordnung der Grafschaftsorte nach den Leibshuhnlisten (jeder leibeigene Untertan musste ein Huhn als Steuer geben): Dertingen 113, Höhefeld 84, Nassig 82, Kreuzwertheim 69, Bettingen 51. Wer sich nun grämt, dass Nassig hier von Höhefeld überholt wurde, der zählt einfach die 9 Hühner von Oedengesäß noch bei Nassig mit. Damit liegt Nassig wieder vor Höhefeld.

An diesen Zahlen war schon zu sehen, dass Nassig zu den größten Dörfern der Grafschaft Wertheim gehörte, übertroffen eigentlich nur von Dertingen. Dies wird von einer anderen Liste bestätigt. Beim Frongeld, das die Orte im Jahr 1634 zu zahlen hatten, lag Nassig mit 231 Gulden sogar gleichauf mit Dertingen. Mit großem Abstand dahinter Urphar mit 139 Gulden. Auch Höhefeld lag beim Frongeld mit 131 Gulden weit hinter Nassig. Die etwa gleich vielen Höhefelder mussten also deutlich weniger Frongeld zahlen. Warum, ist schwer zu sagen, weil das Frongeld (als Ablöse für Frondienste) sich eigentlich auf die Zahl der Untertanen und nicht auf deren Besitz beziehen müsste – aber das Steuerrecht ist ja auch heute noch bisweilen eine rätselhafte Angelegenheit.

Die Gesamtforderung der Herrschaft an Frongeld in den Orten der Grafschaft summierte sich auf 2484 Gulden, der Anteil Nassigs lag damit bei 9 %. Das war schon ganz erheblich.

Dass Nassig im Vergleich mit anderen Dörfern der Grafschaft durchaus wohlhabend war, zeigt sich an einer anderen Steuer: der Schatzung, einer Steuer auf Grundbesitz und Vermögen. Hier lag Nassig in den 1680er Jahren auf Platz vier der Grafschaftsorte, gemeinsam mit Hasloch. Eine einzelne Schatzung brachte der Herrschaft in Nassig damals 25 Gulden. Auf Rang eins wiederum Dertingen (44 Gulden), gefolgt von Wenkheim (29 Gulden). Ziemlich weit hinten Vockenrot mit drei Gulden.

Gezahlt wurde die Schatzung vom einzelnen Steuerzahler. Der reichste Nassiger des Jahres 1681 war, jedenfalls nach den Steuerunterlagen, Paul Beck mit einem Vermögen von 453 Gulden (plus Haus- und Grundbesitz). Es folgten Heinrich Scheurich (455 Gulden) sowie Hans und Andreas Scheurich mit jeweils etwa 350 Gulden Vermögen. „Scheurich“ war seinerzeit gewiss ein klangvoller Name im Dorf. Der damalige Nassiger Schultheiß Christoph Weimer musste sich mit 206 Gulden zufrieden geben. Immerhin genug, um seinen Kollegen aus Vockenrot in die Schranken zu weisen, der 204 Gulden angegeben hatte.

Den relativen Reichtum Nassigs belegt noch ein weiteres Kriterium: der Gemeindewald. Im Jahr 1710 besaß die Gemeinde fast 900 Morgen Eichenwald. 81 Morgen „Holz und Gebüsch“ kamen noch dazu. Dagegen hatte etwa Bettingen nur 175 Morgen „Holz und Wald“ aufzubieten, während es beim Nachbarn Vockenrot noch beklagenswerter aussah: 93 Morgen „Holz und Wüstung“.

Und es gibt sogar einen Indikator, bei dem Nassig die unbestrittene Nummer eins der Grafschaft Wertheim war: das Zugvieh. 1687 zählte man in Nassig 100 Ochsen, während in Dertingen 64 lebten und in Höhefeld gar nur 27.

Damit können wir dieses Ranking der Grafschaftsorte nach vielen Zahlen mit der Feststellung schließen, dass es in Vockenrot mehr Hammel, in Nassig aber mehr Ochsen gab. Die Wertheimer Grafen werden an Nassig ihre Freude gehabt haben.

Druck: Fränkische Nachrichten 21.3.2013