Elf Kinder hatte Graf Ludwig III. zu Löwenstein-Wertheim, von denen fünf Söhne und zwei Töchter das Erwachsenenalter erreichten. Während die Söhne zur Ausbildung nach Straßburg geschickt wurden und Kavalierstouren durch Europa unternahmen, ist dergleichen von den Töchtern nicht bekannt. Sie blieben zu Hause. Von dort aus schrieb die damals 27 Jahre alte Walburga ihrem zwei Jahre jüngeren Bruder Friedrich 1602 nach Paris, sie hoffe, er werde „gar ein feiner Mann sein“, wenn er zurückkomme. In diesen Briefen an den Bruder ist üblicherweise sehr viel von guten Wünschen und vor allem Gesundheit die Rede, aber auch Erbsachen zwischen den Geschwistern spielen eine Rolle. Die Schwestern meinten: „Was uns gehört es stundt auch gar spöttlich“. Walburga dankte Friedrich aber auch für Geschenke: „Die überaus schönen geschmelzten Blinker und zwei hübsche Ohrgehenk hab ich wohlverwahrt bekommen, sie freuen mich so über die Maß, daß Deine Liebden nicht glauben kann“, und versprach ihm, ihrerseits die „versprochen Schlafhauben“ zu schicken, sie seien nur noch nicht ganz fertig. Denkbar, dass die Gräfin die Schlafhaube für ihren Bruder persönlich in Handarbeit anfertigte. Die beiden scheinen jedenfalls ein recht enges Verhältnis gehabt zu haben, meist schreibt sie „Deine Liebden“, aber auch „ach lieber Fritz“ erscheint in den Briefen. Die jüngere Schwester Gräfin Katharina Elisabeth befasste sich übrigens auch mit Hauswirtschaft. Sie schreibt ihrem Bruder nach Paris, selbst „Quittensaft“ machen zu wollen, nachdem die Dertinger Pfarrersfrau ihr Quitten geschenkt hat, Apfel- oder Birnensaft wird sie dagegen kaum machen können, schreibt sie weiter, weil es in diesem Jahr sowenig Äpfel und Birnen gebe. So gehörte auch das Herstellen von Saft zu den adeligen Tätigkeiten.
Während Fritz in Paris war, ist von seinen Schwestern nur eine gemeinsame Kur in Wiesbaden im Jahr 1604 bekannt. „Badefahrt“ sagte man damals. Walburga wurde damals mitten in der Kur von einer „Leibes-Schwachheit“ übel erwischt. Sie schrieb an ihren Vater, „daß mir der ganze Leib so weh getan, mit solchem Stechen, Reissen und Grimmen, daß ich auch weder Tag noch Nacht Ruh gehabt und in 4 Tag nichts getan dann geweint“. Dann schlug Walburga dem Vater vor, die Kur noch zu verlängern.
Der „liebe Fritz“ starb 1610, ein Jahr darauf folgte Graf Ludwig. Dieses Jahr 1611 wurde ein entscheidendes Jahr in der Geschichte der Löwenstein-Wertheim, hatte Ludwig doch bestimmt, dass alle seine Söhne gleichberechtigt regieren sollten. 1611 waren noch vier Söhne am Leben, die nun die Besitzungen mittels Losverfahren untereinander aufteilten.
Was geschah damals mit den beiden Schwestern? Walburga und Catharina Elisabeth fühlten sich bei der Verteilung des Erbes übergangen. Dass sie nicht zu regierenden Gräfinnen von Wertheim werden konnten, war klar, weil damals offiziell nur die Männer regierten. Nun wollten sie wenigstens beim Privatbesitz wie Geschirr und Schmuck beteiligt werden, wie es sich gehörte. Darum verfassten sie einen Protest. Sie taten dies an zentraler Stelle in Wertheim, nämlich „in dem gräflich wertheimischen Hof, der Neue Bau genannt, an der großen Mang, der Pfarrkirche gegenüber, daselbst im unteren Stockwerk auf der rechten Seite des Aufgangs in dem von der Gasse der Kirche gegenüberliegenden Gemach, aus welchem man durch einen verdeckten Gang in die Kirche gehen kann.“ Im Neuen Bau, der nach 1545 errichtet worden war, befindet sich heute die Commerzbank. Die Schwestern wohnten zeitlebens in diesem Gebäude. Beide blieben unverheiratet. Ihr Vater Graf Ludwig hatte dies 1603 in einem Brief an Sohn Fritz so formuliert: „Mit deinen Schwestern steht es noch in altem Wesen, wollte Gott, sie wären wohl versehen.“
Gegen das Wohnrecht im Neuen Bau hatten die Brüder keine Einwände, ansonsten hielten sie die Schwestern aber knapp: Nur 500 Gulden jährlich wurden ihnen zugestanden, was die Schwestern skandalös fanden. Damit sei eine standesgemäße Existenz nicht möglich, meinten sie, und protestierten erneut. Am für eine standesgemäße Existenz ebenfalls unentbehrlichen Schmuck hat es zumindest Gräfin Walburga nicht gemangelt. Sie selbst hat eine Liste ihrer Schmuckstücke erstellt, die auf 159 Nummern kommt. Perlenketten aus Paris sind darunter, goldene Haarnadeln, böhmische Diamanten, diverse Ohrgehänge und ein Ohrkettchen für englische Tracht, goldene und silberne Gürtel und ein Halsband mit 150 Perlen. Walburga konnte sich schon schön machen, wenn sie im Neuen Bau auf und ab gehen wollte oder sich mit ihrer Schwester auf einen Tee treffen.
Wie so häufig bei einem eher ruhigen und anständigen Leben hören wir von Walburga erst wieder etwas im Zusammenhang ihres Ablebens im Jahr 1630. Die Beerdigung und alles drumherum kostete, und die Abrechnungen liegen bis heute im Archiv. Boten wurden herumgeschickt, die Verwandte und Lehensleute vom Tod der Gräfin unterrichteten. Sie kamen bis Weikersheim, Schillingsfürst und Neuenstein (also zur Hohenloher Verwandtschaft), nach Würzburg, Gemünden und Speckfeld sowie nach Ortenberg und Dierdorf zur Stolberger Verwandtschaft. Die Resonanz war bescheiden, die Beerdigung eher schwach besucht. Die Futterrechnung für die Pferde verzeichnet vom hohen Adel nur den Grafen von Castell, der allerdings gleich mit elf Pferden angerückt war. Für Lebensmittel beim Leichenschmaus gab der Rentmeister 48 Gulden aus. Viel war das nicht gerade, was die Brüder da für den letzten Weg ihrer Schwester springen ließen. Es waren allerdings auch harte Zeiten: Pest, Hexenverfolgung und Dreißigjähriger Krieg setzten den Zeitgenossen zu. Da kam es den Bewohnern Wertheims vermutlich ganz recht, dass beim Begräbnis der Gräfin Walburga wie üblich auch eine Spende an die Armen ausgeteilt wurde. Über 600 „Wastel“ – ein einfacher Kuchen – hatte Bäcker Frischmut gebacken, ein jeder zu zwei Pfund. Das Gebäck teilten sich die Wertheimer Armen und das herrschaftliche Gesinde.
Druck: Fränkische Nachrichten 17.6.2011